Die Verschüttetensuche nach einem Lawinenabgang während einer Skitour muss im Ernstfall funktionieren. Wir zeigen Dir die einzelnen Schritte und wie Du sie trainieren kannst.
In Fall eines Lawinenabgangs zählt jede Sekunde. Wer nach 15 Minuten lokalisiert und ausgegraben wurde, hat gute Chancen, zu überleben. Anschließend sinkt die Überlebensrate im Minutentakt. Nach 30 Minuten ist die Rate der Überlebenden auf deutlich unter 50, eher sogar unter 40 Prozent gefallen. Nach einer Stunde besteht kaum noch eine Chance auf eine lebendige Bergung.
Daher gilt es, die einzelnen Schritte der Verschüttetensuche quasi traumwandlerisch zu beherrschen. Fehler oder Unklarheiten im Ablauf können für den Tourenpartner schreckliche Folgen haben. Mit einem sicheren Umgang mit LVS-Gerät, Lawinensonde und Schaufel stehen die Chancen aber gut. Dafür muss die Verschüttetensuche regelmäßig trainiert werden. Die einzelnen Schritte und wie die Suche ganz ohne Lawine im Schnee und im Trockenen trainiert werden kann, zeigen wir Dir im Video und ausführlich weiter unten.
Inhaltsverzeichnis
Auf die Skitour, fertig, los
Zusammen mit den beiden Bergführern Lukas Kühlechner und Alex Klampfer aus dem schönen Montafon bereiten wir dich mit der Serie “Auf die Skitour, fertig, los” auf die Skitourensaison vor, ganz egal ob Einsteiger oder Fortgeschrittener. Mehr über Lukas und sein Unternehmen erfährst du im Interview mit ihm.
Auf unserem Youtube-Kanal veröffentlichen wir jede Woche eine neue Folge.
Alex und Lukas betreiben zusammen das Unternehmen Firmalpin, wo sie mit ihrem Know-How bei der Entwicklung von Produkten im Bergsportbereich unterstützen, aber auch Lenkungskonzepte für den Tourismus erarbeiten, Berufskletterer schulen oder Dich auf die Gipfel der Silvretta oder im Rätikon begleiten.
Verschüttetensuche nach einem Lawinenabgang – Übersicht
- LVS-Gerät in den Such-Modus schalten
- Notruf absetzen
- Visuelle Suche
- Signalsuche
- Grobsuche
- Feinsuche & Einkreuzen
- Ortung mit Lawinensonde
- Ausschaufeln
- Erste-Hilfe leisten
Verschüttetensuche im Video
Verschüttetensuche – Die einzelnen Schritte
Nachdem wir Dir alle Schritte der Verschüttetensuche bei einem Lawinenabgang bereits einzeln genannt haben, beschreiben wir diese nun im Detail und zeigen Dir wichtige Tipps für den Ernstfall. Es ist eher selten, dass ganze Skitourengruppen verschüttet werden, da sowohl im Aufstieg als auch bei der Abfahrt Abstände eingehalten werden sollten. Im optimalen Szenario handelt es sich “nur” um einen Verschütteten. Weiter unten erläutern wir Dir das Vorgehen bei mehreren verschütteten Teilnehmern der Skitour.
1. LVS-Gerät in den Such-Modus schalten
Gerätst Du mit Deiner Skitouren-Gruppe in eine Lawine gilt als Erstes: Ruhe bewahren. Der Erfahrenste der Gruppe sollte nun das Kommando an sich reißen und die übrigen Gruppenmitglieder koordinieren.
Zunächst gilt es, sich einen Überblick zu verschaffen. Was ist passiert? Wie viele Gruppenmitglieder fehlen? Wieviele Verschüttete gibt es?
Anschließend wird das Lawinenverschüttetensuchgerät (LVS-Gerät) vom Sende- in den Suchmodus geschaltet. Auch die übrigen Gruppenmitglieder schalten ihr Gerät in den Suchmodus. Alternativ können sie, wenn sie an einer sicheren Stelle sind, auch ihr Gerät ausschalten.
Wichtig ist, dass ihre Geräte nicht im Sendemodus verbleiben, denn die sendenden Signale empfängt der Suchende und kann so durch unterschiedliche Richtungspfeile schnell verwirrt werden, wodurch kostbare Zeit verloren gehen kann, bis der Fehler bemerkt ist.
2. Notruf absetzen
Nun wird der Notruf abgesetzt. Wenn es möglich ist, kann diese Aufgabe auch vom Koordinator delegiert werden, so dass mehr Zeit für die eigentliche Suche ist. Nur mit einem alarmierten Notruf kann die Rettungskette richtig in Gang gesetzt werden, um schwere Verletzungen, die bei Lawinenabgängen und Verschüttungen nicht unüblich sind, bestmöglich ärztlich versorgen zu können.
Eine Ausnahme gibt es aber doch: Bedeutet das Absetzen des Notrufs einen Zeitverlust, weil beispielsweise kein Handy-Empfang besteht und erst umständlich zu einem Punkt gegangen werden muss, wo Empfang ist, rutscht der Notruf in der Prioritätenliste nach hinten. Dann geht die Kameradenrettung durch die übrigen Teilnehmer der Tour vor.
3. Visuelle Suche
Mit dem auf Suche gestellten LVS-Gerät geht es nun so schnell wie möglich in Richtung Lawinenkegel. Gibt es irgendwelche visuellen Anzeichen, wo sich der Verschüttete befindet? Ragt ein Skistock, ein Ski oder der Rucksack aus der Lawine? Wo wurde der Tourenpartner zuletzt gesehen? Wohin müsste er sich mit der Lawine bewegt haben? Oft finden sich schon bei der bloßen Betrachtung des Lawinenkegels Hinweise, wo die Retter mit der Suche beginnen sollten.
4. Signalsuche
Als nächstes gilt es, das Signal des LVS-Geräts des Verschütteten auszumachen. In Suchstreifen wird in zügigem Tempo der Lawinenkegel abgegangen. Bei mehreren Rettern können jeweils eigene Bereiche zugeordnet werden.
Das LVS-Gerät kann am Ohr gehalten werden, um zu hören, wann es ein Erst-Signal gibt. Vorher wird sowieso nichts angezeigt. Sobald ein Signal empfangen wird und teilst Du das den anderen Gruppenmitgliedern mit (ein lautes “Signal”).
5. Grobsuche
Den Blick nun auf das Display gerichtet, folgst Du in immer noch raschen Tempo den Pfeilen auf dem LVS-Gerät. Die Distanz zum Signal sollte sich nun verringern. Je näher Du zur Person in der Lawine kommst, desto langsamer bewegst Du Dich vorwärts.
6. Feinsuche & Einkreuzen (Punktortung)
Nun folgt die Feinsuche, bei der Du gebeugt direkt über der Schneedecke langsam versuchst, den Verschütteten zu lokalisieren. An dem Punkt, wo die angezeigte Distanz auf dem Display am geringsten ist, folgt das sogenannte Einkreuzen (Punktortung), indem das LVS-Gerät nach links und rechts geführt wird, um zu prüfen, ob es sich bei der vermuteten Position um die richtige handelt. Die Stelle mit der geringsten Distanz wird nun mit der Lawinenschaufel markiert.
Übrigens: Wenn ein Verschütteter in zwei Meter Tiefe liegt, wird die auf dem Display des LVS-Geräts angezeigte Distanz nie weniger als zwei Meter betragen. Diese dritte Dimension wird schnell vergessen, was dazu führen kann, dass die Suchstelle nicht richtig lokalisiert wird.
7. Ortung mit Lawinensonde
Mit der Lawinensonde wird nun beginnend an der mit der Schaufel markierten Stelle die genaue Position des Verschütteten lokalisiert. In Form eines Schneckenhauses arbeitest Du Dich nun spiralförmig mit der Sonde in Abständen von ca. 25 Zentimetern von der Ausgangsposition langsam von innen nach außen vor.
Wichtig ist, die Lawinensonde im rechten Winkel zur Schneedecke einzuführen. Gerade bei Verschüttungen an einem Hang ist es schnell passiert, dass die Sonde so am Körper des Verschütteten vorbei geht, ohne ihn zu lokalisieren.
Ein Treffer wird ebenfalls lautstark kommuniziert (“Fund”). Die Sonde verbleibt dort, wo der Verschüttete lokalisiert wurde.
8. Ausschaufeln
Das Schaufeln beginnt nun nicht direkt über der verschütteten Person, um ihn mit der metallenen Lawinenschaufel nicht am Kopf oder woanders zu verletzen, sondern etwas versetzt neben ihm. In einem Hang wird etwas unterhalb des vermuteten Verschüttungspunkts begonnen.
So schnell wie möglich arbeitest Du Dich nun zum Verschütteten vor, um ihn ganz auszugraben.
Gerade Lawinenschnee ist oft betonhart zusammengepresst, so dass es bei tieferen Verschüttungen auch sinnvoll sein kann, sich mit anderen Gruppenteilnehmern abzuwechseln bzw. entsprechend zusammen zu schaufeln.
9. Erste-Hilfe
Nach dem erfolgreichen Ausgraben ist es längst noch nicht überstanden. Die mechanischen Kräfte, die in einer Lawine herrschen, sind gewaltig und schon zehn Prozent der Lawinenopfer überleben diese nicht. Nun gilt es Erste Hilfe zu leisten, um das Opfer so schnell wie möglich zu stabilisieren und im weiteren Verlauf ärztlich versorgen zu können. Hilfreich ist es, regelmäßig Erste-Hilfe-Kurse zu besuchen und Dein Wissen immer wieder aufzufrischen.
Exkurs: Mehrere Verschüttete
Bei mehreren Verschütteten ist der Ablauf ähnlich. Moderne LVS-Geräte können Verschüttete sogar markieren, wenn sie einmal mit der Feinsuche lokalisiert worden sind. Das Sondieren und Ausgraben kann dann auch an andere Gruppenmitglieder delegiert werden, um sich den weiteren Verschütteten zuzuwenden.
Bei einem großen Lawinenkegel und mehreren Verschüttungen teilen sich die übrigen Tourengeher auf, um das Areal mit jeweils zugeteilten Suchstreifen abzusuchen.
So kannst Du die Verschüttetensuche trainieren
Um die Verschüttetensuche quasi traumwandlerisch zu beherrschen, muss sie regelmäßig trainiert werden. Das kannst Du im Schnee, aber auch im Trockenen. Wir stellen Dir zwei einfache Methoden vor.
Im Schnee
Für das im Video gezeigte Training suchst Du Dir eine ca. 50 mal 50 Meter große Fläche, die mit Ski zunächst platt getreten wird, es soll ja schließlich nicht sofort ersichtlich sein, wo das “Opfer” zu finden ist.
Nachdem die Fläche platt getreten wurde, vergräbt einer aus der Gruppe einen Rucksack, in dem sich ein eingeschaltetes LVS-Gerät im Sendemodus befindet. Die Stelle wird ebenfalls wieder platt getreten.
Der Suchende hat vom Vergraben im besten Fall nichts gesehen und hat keine visuellen Anhaltspunkte. Er beginnt nun die oben beschriebene Suche bis der Rucksack ausgegraben wurde. Auch mehrere Verschüttete lassen sich mit dieser Übung simulieren.
2. Im Trockenen
Sowohl das Sondieren als auch das Ausschaufeln lassen sich im Trockenen nicht wirklich üben, die Suche nach dem “Verschütteten” aber doch. Eine Wiese oder ein Feld mit hohem Gras eignen sich hier gut, um nicht zu verräterisch zu sein. Hier wird das eingeschaltete LVS-Gerät platziert, das es nun zu finden gilt. So lässt sich die eigentliche Suche und der Umgang mit dem Gerät auch im Trockenen gut üben.
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Fazit
Keine Zeit gilt es im Fall eines Lawinenabgangs zu verlieren. Die einzelnen Schritte der Verschüttetensuche müssen daher regelmäßig trainiert werden, um in Fleisch und Blut überzugehen und im Ernstfall beherrscht zu werden.
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