Spektakuläre Gratwanderung: Die Hochkalter Überschreitung

20

Die Hochkalter Überschreitung ist eine hochalpine Tour, die nicht nur lang, sondern auch technisch schwierig ist. Knapp zwei Kilometer führt der Steig über den Grat zum Gipfel. Mit senkrechten Blicken auf den nördlichsten Gletscher der Alpen.

Gratwanderung: Die Hochkalter Überschreitung © Gipfelfieber.com
Gratwanderung: Die Hochkalter Überschreitung © Gipfelfieber.com

Nachdem wir erst vor wenigen Wochen den Hausberg von Berchtesgaden – König Watzmann – auf unserer Liste endlich abhaken konnten, folgte nun der nächste auf der Liste, der da schon eine Weile steht: Der Hochkalter und mit ihm die berüchtigte Hochkalter Überschreitung. Er gilt mit seiner Höhe mit 2.607 Meter als fünfthöchster Berg Deutschlands (wenn man eine Schartenhöhe von 300 m für einen eigenständigen Gipfel voraussetzt). Technisch ist die Bergtour auf und über den Hochkalter, das ist gleich zu Beginn erwähnenswert, schwieriger als die Überschreitung des Watzmanns, allerdings auch etwas kürzer.

Vom Hintersee zu Schärtenalm und Blaueishütte

Wir starten am prall gefüllten Parkplatz kurz vorm Hintersee. Es heißt Trainingsanreize zu setzen und wir geben mächtig Gas. Auf breitem und einfachen, aber steilen Fahrweg geht es bis zur Schärtenalm. Von dort wird es kurz flacher, bevor es unter der Materialseilbahn zur Blaueishütte über Stufen die letzten Meter hochgeht. Nach 1:21 Stunden (ich brauche drei Minuten länger, denn ICH HASSE Stufen) vom Parkplatz sind wir an der Hütte. Bitte kein Beispiel dran nehmen. Der uns bekannte Rekord liegt übrigens bei knapp 40 Minuten. Wie das gehen soll, ist mir ein Rätsel…

In der Blaueishütte sollte man auf jeden Fall reserviert haben. Das Gebiet rund um die Hütte ist bei Kletterern sehr beliebt und eben auch Bergsteiger finden mit dem Steinberg, der Schärtenspitze oder eben dem Hochkalter lohnenswerte Ziele. Wir haben Glück und erwischen das Doppelstockbett im Lager. Aufrichten kann ich mich zwar nicht, aber ich soll ja auch schlafen.




Eine hinlänglich bekannte Empfehlung ist der Kuchen in der Blaueishütte. Der ist eine Sensation und die Stücke sind riesig. Der Nachteil: Man muss ihn drinnen in der Hütte an der Ausgabe bestellen. Und dort scheint uns – das sollte auch erwähnt sein – Gastfreundlichkeit zum wiederholten Mal (!) ein Fremdwort zu sein.

Aufbruch zur Hochkalter Überschreitung im Dunkeln

Am nächsten Morgen starten wir kurz vor der Dämmerung zur Hochkalter Überschreitung. Ab Mittag besteht die Möglichkeit von Gewittern und da wollen wir wieder unten sein. Wir folgen dem klar erkennbaren Steig und queren das Blaueiskar bis an den Fuß einer steilen Schuttrinne. Kurz vorher kommen wir an den Resten der ursprünglichen Blaueishütte vorbei. Die fiel im Dezember 1955 einer Lawine zum Opfer, woraufhin die Hütte auf einem neuen Platz wieder errichtet wurde.

Das Schuttkar ist anstrengend. Teilweise geht es zwei Schritt vor und einen zurück. Bald stehen wir am Fuß der ersten Steilstufe. Die Wand ist etwa 30 bis 40 Meter hoch und lässt sich in unschwieriger Plattenkletterei überwinden (wohl Schwierigkeit II). Die Scharte mit dem Namen “Schöner Fleck” wird ihrem Namen absolut gerecht.

Schlüsselstelle der Hochkalter Überschreitung und ein langer Grat

Ab dem “Schönen Fleck” geht es in Gehgelände weiter. Ab und an schadet der Einsatz der Hände nicht, brauchen tut sie der versierte Bergsteiger eher nicht. Bald aber schon, nämlich an der Schlüsselstelle der Tour. Das ist eine etwa 15 Meter hohe Wand, die bezwungen werden muss. Aber es gibt jederzeit genügend Griffe und Tritte, so dass wir keine Probleme haben (Schwierigkeit II).

Der Himmel zieht jetzt weiter zu und taucht Berchtesgaden in ein mystisches Lichtspiel. Im Westen droht eine riesige Regenwolke immer näher zu kommen.

Kurz danach sind wir auf dem Grat, der, anderes als am Watzmann, keinerlei Versicherungen aufweist. Der Steig ist nicht schwierig, aber schwindelfrei sollte man sein. Denn links geht es hunderte Meter senkrecht nach unten in Richtung Blaueiskar und Blaueisgletscher und mir ist fast ein bisschen mulmig.

Der Weg wird immer wieder unterbrochen von kurzen Kraxeleinlagen, die aber auch zu meistern sind. Bald erreichen wir den Kleinkalter und nun ist es auch nicht mehr allzu weit zum Gipfel des Hochkalter. Es heißt noch eine letzte Scharte zu durchklettern und dann sind wir am Gipfel angekommen, mit Blick auf Untersberg, Hohen Göll, Hochkönig, Großvenediger, Großglockner, Loferer und Leoganger Steinberge bis hin zum Kaisergebirge im Westen.

Abstieg ins Ofental

Beendet ist die Hochkalter Überschreitung aber noch lange nicht. Vom Gipfel geht es in westlicher Richtung abwärts in Richtung Ofentalschneid. Der Abstieg ist sehr unangenehm, viel Geröll und Schutt und wir treten regelmäßig Steine los. Einen Helm dabei zu haben, schadet hier nicht. Nach etwas weniger als einer Stunde stehen wir in einem riesigen Schuttkar, dem Ofental, über welches im Winter die Ski-Bergsteiger den Hochkalter besteigen. Hier kann man im Geröll, ständig die Reiteralpe im Blick, recht schnell absteigen.

Irgendwann erreichen wir die Baumgrenze und laben uns an den unzähligen Heidelbeerbüschen am Wegesrand. Nun geht der Abstieg einfach immer weiter nach unten bis ins Klausbachtal, wo noch ein Fußmarsch von etwa 3,5 Kilometern zurück zum Parkplatz und Ausgangspunkt am Hintersee auf uns wartet.

Abkühlung im Hintersee

Das Hochkaltermassiv über dem Hintersee © Gipfelfieber.com
Das Hochkaltermassiv über dem Hintersee © Gipfelfieber.com

Als Belohnung geht es nach der erfolgreichen Hochkalter Überschreitung und dem Abstieg in den selbst im Hochsommer eiskalten Hintersee, dessen Farbe und Panorama ihn wohl zum schönsten See Deuschlands machen. Die Abkühlung tut der Muskulatur spürbar gut.

Noch ein paar Panoramas geschossen, die Energiereserven in einem der Restaurants am Ufer des Hintersees wieder aufgefüllt, anschließend ziehen düstere Wolken auf und stürzen die Berchtesgadener Alpen in strömenden Regen.

Die Hochkalter Überschreitung bei Youtube

Das Video zur Bergtour über den Hochkalter (direkt hier oder bei Youtube abrufbar).

Fazit

Die Hochkalter Überschreitung ist anspruchsvolles Bergsteigen und technisch auch schwieriger als die Watzmann-Überschreitung. Aber die Bergtour auf den fünfthöchsten Berg Deutschlands macht dem erfahrenen Bergsteiger zu jeder Zeit Spaß. Beeindruckend sind die Tiefblicke zum Blaueiskar und seinem Gletscher, von dem leider nicht mehr allzu viel übrig ist.


20 Kommentare

  1. Sehr schöne Tour und im Vergleich zum Warzmann auch meist weniger frequentiert.
    Das mit der Gastfreudnlichkeit habe ich jetzt schon des Öfteren gehört, kann es aber selbst nicht bestätigen.

    Meine Bestzeit zur Hütte liegt bei 53 Minuten. Denke mal, dass der ein oder andere lokale Läufer durchaus knapp bzw. unter 40 Minuten läuft.

  2. Super Tour, nachdem ich vor kurzem auch über den Watzmann bin, würde ich auch noch gerne über seinen “unbekannteren” Nachbarn.

    In anderen Tourenberichten liest man öfters von Gletscherpassagen. Ist dieser schon soweit zurückgegangen, dass ihr garnichtmehr groß damit in Kontakt gekommen seit?

    • Servus Niklas,

      wenn du über den Normalweg gehst (wie die Tourenbeschreibung hier), kommst du mit dem Gletscher nicht in Berührung. Du siehst ihn bzw. den kümmerlichen Rest nur. Eine Begeheung des Hochkalters ist aber auch über den Blaueisgletscher möglich. Die Route ist aber anspruchsvoller und jetzt im Spätsommer dürfte vor allem die Überwindung der Randkluft nicht ganz einfach sein. Nach dem Gletscher folgt der Aufstieg dem Ostgrat, wo längere ausgesetzte Klettereien im 2. Schwierigkeitsgrad dabei sind. Die Kletterstrecken dürften länger ausfallen als bei unserer Tour über den Normalweg.
      Viel Spaß auf jeden Fall bei der Tour. Die Bedingungen schauen für die kommenden Tage jedenfalls ganz gut aus.

      • Danke dir Andreas für die schnelle Antwort.
        Habe das bei genauerer Recherche jetzt auch gesehen und werde wohl erstmal auch den Normalweg gehen.

        Generell großes Lob an euch. Bin über euren Instagramm-Account auf euch aufmerksam geworden und auch die Seite hier finde ich echt gelungen. Hoffe der Tourenreport füllt sich nach und nach und ich kann noch die ein oder andere Anregung mitnehmen! Bin seit ein paar Monaten auch in München und versuche das so weit es geht zu nutzen :D

        • Der Touren-Part ist im beständigen Wachstum. Jetzt gibt`s gerade zweiwöchigen Leerlauf, aber kommende Woche geht`s endlich wieder in die Berge.
          Wenn du Lust hast, kannst du uns gerne mal begleiten…;-) Schreib einfach eine Mail (hier über Kontakt) oder bei Facebook!

  3. ja, der hochkalter ist ein wirklich sehr schöner berg!
    ich war vor 2 wochen dieselbe tour – stimmt, es ist ausgesetzt und es gibt keine seile.

    falls es leute gibt hier im portal, die gern und immer wieder in berchtesgaden was gehen, freu ich mich über einen anruf. eine freundin und ich sind oft da unterwegs.

    margit aus obertrum- salzburg

  4. […] Am nächsten Morgen starten wir relativ spät bei Traumwetter in den Tag. Pünktlich als wir losgehen, verschwinden die letzten Wolkenschleier. Unser Ziel – der Große Weitschartenkopf – ist schon gut erkennbar und die ganze Zeit im Blick. Es geht zurück zum Weg und von nun an folgen wir mehr oder weniger den Aufstiegsspuren der Skitourengeher. In langgezogenen Kehren geht es relativ flott, nie so richtig steil, bergan und die Ausblicke werden immer grandioser. Erst schiebt sich im Südosten der Hohe Göll ins Bild, später folgen Watzmanngrat und Hochkaltermassiv. […]

Kommentieren Sie den Artikel

Bitte geben Sie Ihren Kommentar ein!
Bitte geben Sie hier Ihren Namen ein

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.