Interview mit Kaipara-Gründer Frank Selter: Was Merino so besonders macht

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Merino ist der Stoff der Stunde. Wir haben uns mit Kaipara-Gründer Frank Selter zusammengesetzt und ein bisschen über den Merino-Boom unterhalten und was das Material so besonders macht.

Interview mit Kaipara-Gründer Frank Selter: Was Merino so besonders macht © Kaipara
Interview mit Kaipara-Gründer Frank Selter: Was Merino so besonders macht © Kaipara

Gipfelfieber: Lieber Frank, du bist Inhaber der Firma Kaipara. Erzähl vielleicht ganz kurz, was ihr macht und warum? Und vor allem wie man darauf kommt, seine feste Anstellung aufzugeben, um Shirts zu produzieren?

Frank: Wir fertigen Bekleidung aus reiner Merinowolle in Deutschland – das ist das was wir machen, das warum ist dann etwas länger in seiner Erklärung und hört sich so an: Der Ausgangspunkt für alles war der Wunsch, mich beruflich zu verändern und da meine damalige Lebenspartnerin und heutige Frau in einer ähnlichen Situation war, beschlossen wir erstmal unsere Jobs zu kündigen und ein Jahr auf Reisen zu gehen. Die Angst eine feste Anstellung aufzugeben war nie ein Thema, denn wir waren Anfang 40, gut ausgebildet, konnten berufliche Erfolge vorweisen und hatten keine Verpflichtungen. Somit starteten wir 2010 mit vollen Rücksäcken Richtung Asien.

Während des Aufenthaltes in Neuseeland kam dann die Idee zu Kaipara. Damals hatte die Idee noch keinen Namen, das kam erst, als wir wieder Zuhause waren. Aber Neuseeland ist nun mal Merinoland und in Auckland fand ich eine Neuseeländische Marke mit Merinoqualitäten, die mich absolut faszinierten, weil sie sich qualitativ so von dem abhoben, was ich bisher von den großen Marken gekannt hatte.

Damit war dann auch schon die Idee geboren. Entscheidend aber war die Erkenntnis, dass so ein Unterfangen nur funktionieren kann, wenn Dinge anders gemacht werden. Das Ziel war, mit den besten Merinostoffen zu arbeiten und das mit einer handwerklich hochwertigen Fertigung zu verbinden. Aspekte aus Umweltschutz und Tierschutz sollten wesentliche Bestandteile sein und alles sollte nachhaltig entstehen. Die Fertigung in Deutschland bietet den Vorteil kleiner Stückzahlen und ist regional. Alles Themen, die im Jahr 2011, unserem Gründungsjahr, immer mehr an Bedeutung gewonnen haben.

Der Haken war natürlich, dass all das oben beschriebene erstmal nicht billig werden würde und wir somit nicht den klassischen Weg über den Handel nehmen konnten. Wir mussten es also anders machen und unsere Produkte direkt und ohne Zwischenhandel verkaufen, was über den eigenen Onlineshop und den Besuch von Endverbrauchermessen möglich wurde.

“In Summe ist Merinowolle für mich die Funktionsfaser der Natur.”

Gipfelfieber: Die Trageeigenschaften von Merino-Produkten sind gerade für Wanderer und Bergsteiger interessant. Kannst du uns einen Einblick geben, was Merino so besonders macht? 

Frank: Wolle ist ja nichts, was wir nicht von unseren Großeltern her schon kennen würden, denn gerade Bergsteigern sind die Vorteile schon immer bekannt. Es ist nur in Vergessenheit geraten, als die Kunstfaser ihren Siegeszug antrat. Wo sich seither aber viel getan hat, ist die Feinheit der Fasern und die Technologien diese zu verarbeiten und so wird sie jetzt wiederentdeckt. Heutige Merinowolle kann problemlos bei 40 Grad in der Waschmaschine gewaschen werden und ist selbst bei direktem Hautkontakt kratzfrei, wenn sie die richtige Qualität hat.

Die Vorteile sind sehr vielfältig und wir könnten hier jetzt eine seitenlange Aufzählung starten, deshalb konzentriere ich mich vielleicht mal auf das Wesentliche, wie z. B. Geruchsneutralität. Ein T-Shirt aus Merinowolle kann über Tage getragen werden und es haften ihm keine Gerüche an, weil sich die Bakterien in der Wolle nicht wohlfühlen und somit nicht vermehren.

Für mich ganz elementar ist der Tragekomfort, weil Merinowolle durch ihre Atmungsaktivität und Temperaturregulation wie zu einer zweiten Haut wird. Die Wolle puffert alle Einflüsse auf die eigene Körpertemperatur herunter, egal ob es heiß ist oder kalt, ob wir gerade schwitzen, weil wir Sport machen oder ob wir in einen kurzen Regenschauer kommen. Die Wolle balanciert das aus und hält das Mikroklima am Körper neutral. So ist Merinowolle gleichermaßen auch für Winter, wie auch für den heißen Sommer gedacht. Wer viel schwitzt, wird deshalb nicht weniger schwitzen, aber der Tragekomfort bleibt erhalten, denn auch ein nasses Shirt wärmt noch, wenn nötig. Und trocken wird das Wollshirt in Rekordtemperatur. Das kann dann schon suchtauslösend wirken 😉.

In Summe ist Merinowolle für mich die Funktionsfaser der Natur.

Gipfelfieber: Genauer hinschauen, lohnt sich auch bei Merino-Shirts. Denn oft genug werben Firmen mit dem wohlklingenden Namen „Merino“, dabei sind neben der Wolle auch andere Fasern verarbeitet. Welche Vor- oder Nachteile hat das und wie ist das bei euch? 

“Merino Wool is not equal”

Frank: Ja, auf jeden Fall und die Neuseeländer sagen auch “Merino Wool is not equal”, was so viel heißt, wie “Es gibt große Unterschiede”. Wir kennen das aus allen Bereichen und auch bei z. B. Baumwolle gibt es große Qualitätsunterschiede. Bei Merinowolle wird meist ein möglichst geringer Wert des Faserdurchmessers, der in Mikron gemessen wird, als ultimativer Standard gesetzt. Und natürlich ist das ein Faktor, aber es geht auch um die optimale Faserlänge und deren Kräuselung. Der erstere hat neben anderen Faktoren Einfluss auf das Pillingverhalten und die Kräuselung auf das Volumen und die natürliche Dehnbarkeit. Bei einem hochwertigen Produkt sind diese 3 Faktoren optimal aufeinander abgestimmt. Lassen wir uns alleine von z. B. der Angabe 16,5 Mikron leiten, so heißt das nicht zwingend, dass alle Fasern diese Feinheit haben. Ist es ein Durchschnittswert, so können auch dickere Fasern enthalten sein, kurze Fasern enthalten sein usw.

Gegen Wollmischungen ist ja erstmal gar nichts einzuwenden, wenn damit keine Bauernfängerei betrieben wird, aber das, was Du ansprichst, ist leider oft zu finden. Da heißt es dann „Merinopullover“ und es sind nur 20 % Merinowolle enthalten oder es werden die Vorteile von Merinobekleidung beworben. Das Produkt selbst hat aber dann weniger als 40 % Wollanteil. 

Ansonsten können Beimischungen von anderen Fasern durchaus auch Vorteile bringen. Elasthan bringt Formstabilität und zusätzliche Dehnbarkeit. Dann kann man bei der Wolle auf günstigere Qualitäten gehen und das ein Stück weit ausgleichen. Fast immer wenn Beimengungen zur Wolle zu finden sind, geht es darum, die Kosten für den Stoff zu senken. Der Verbraucher muss dann für sich entscheiden, was ihm wichtig ist. Ich bin begeistert von einer guten reinen Merinowolle und konzentriere mich nur darauf. Wo allerdings Mischungen die Wolle sogar veredeln, sind dann Wollstoffe mit Seide oder Leinen, also anderen hochwertigen Naturfasern, die selbst schon hervorragende Eigenschaften haben.

Gipfelfieber: Mit der Leichtigkeit kommen aber auch ein paar Punkte, die man nicht unterschlagen darf. Wovor sollte man seine Merino-Klamotten schützen?

Frank: Ja, das gibt es und allen voran sind das Motten & Co. Meist sieht man die Biester nicht und ich erlebe das jedes Jahr vorwiegend ab September/Oktober, wenn es wieder kühler wird und die Langarmshirts und Leggings aus Merinowolle wieder aus der Schublade gezogen werden. Dann heißt es gerne, ich habe die Sachen doch seit Monaten nicht getragen und Motten haben wir keine. Da liegt aber genau das Problem, vor allem, wenn die Kleidungsstücke nicht zuvor gewaschen wurden und nicht eingepackt sind. Die lieben Tierchen folgen magisch den menschlichen Körpergerüchen und gehen auch nur in Kleidungsstücke, die längere Zeit nicht bewegt wurden, da sie ja einen sicheren Platz für ihren Nachwuchs suchen.

Das andere sind Löcher, die wir uns durch Unachtsamkeit oder Unwissen zuziehen, denn Wolle ist zwar extrem strapazierbar, aber auf mechanische Einflüsse reagiert sie sehr empfindlich. Klar gibt es auch hier Qualitätsunterschiede, aber Reibung und Druck zerstören die Faser. So ist der Kasten Bier vor sich hergetragen fatal. So kommen die meisten Löcher im Bauchbereich vor, denn darunter sitzt der Gürtel oder der Hosenknopf. 

Einen entscheidenden Faktor dabei spielt das Warengewicht des Stoffes. Das Standardgewicht von 200 g/m² und schwerer ist recht robust. Aber alles unter 180 g/m² wird überproportional empfindlich. Ein Baumwollshirt in sehr leichter Qualität geht aber übrigens dann auch leicht kaputt und bei Seide würde wahrscheinlich keiner erwarten, dass sie viel aushalten muss.

Das beste Rezept ist Achtsamkeit. Merino Neulingen geht es leider oft so, dass ihnen gar nicht bewusst ist, wo das passiert sein soll und es wird ein Materialfehler vermutet oder die Waschmaschine beschuldigt. Meist ist es aber keiner von beiden.

“Wenn wir eine hohe Wollqualität wünschen, muss das Schaf gesund sein”

Gipfelfieber: Merino hat vor ein paar Jahren einen wahren Siegeszug angetreten und ist heute bei vielen Labels zu finden. Mit der gestiegenen Nachfrage entstehen aber auch Probleme. Es muss schneller und am besten noch günstiger produziert werden. Die die am Ende darunter leiden, sind in der Regel die Tiere. Kaipara dagegen setzt sich entschieden gegen Missstände bei der Produktion der Wolle ein. Erzähl doch mal was dazu. 

Frank: Merinowolle ist en vogue und ja auch nicht zu unrecht. Aber die Rahmenbedingungen müssen für uns einfach stimmen, wobei das einfach erklärt ist. Wenn wir eine hohe Wollqualität wünschen, muss das Schaf gesund sein, um diese liefern zu können. Das heißt, die Rahmenbedingungen in der Tierhaltung müssen stimmen. Die Schur muss so vonstattengehen, dass das Flies in einwandfreiem Zustand ist, denn danach wird der Schafscherer bezahlt. 

Wir haben zwei Stofflieferanten und von beiden kommt die Wolle aus Neuseeland, wo ein strenges Mulesing-Verbot besteht und zwar per Gesetz. Beide haben das ZQ-Merino Zertifikat, das weitere hohe Anforderungen stellt. Unser italienischer Stofflieferant, der in unserer URBAN-Linie zum Einsatz kommt, verfügt sogar über eigene Schaffarmen in Neuseeland und verarbeitet die Rohwolle komplett in Italien, wobei die Fertigung dort EMAS-zertifiziert ist. Das ist das höchste Siegel der EU im Bereich Umweltmanagement.

Gipfelfieber: Wie kamst du darauf, komplett in Deutschland zu produzieren? Das geht woanders doch auch billiger.

Frank: Das war relativ schnell entschieden und zwar schon alleine aufgrund der Produktionsminimums, die in China eher in die Tausende gehen und in Europa immerhin noch mehrere Hundert betragen. Wir wollten organisch wachsen und alles mit unserem eigenen Geld stemmen – ohne Fremdbestimmung durch Banken und Investoren. Außerdem hat uns der Trend zurück zu „Made in Germany“ in die Karten gespielt. Anfänglich hat uns sogar unsere Schnittmacherin die ersten Serien genäht. Inzwischen haben wir eine hervorragende Näherei in Sachsen gefunden, wo wir das meiste nähen lassen. Weitere Nähereien haben wir in Niederbayern und Oberfranken für unsere Jacken und Hemden. Kurze Wege, einfache Kommunikation und Regionalität sind uns mehr wert und unsere Kunden danken uns das.

Gipfelfieber: Gibt`s für die Merino-Produkte von euch spezielle Pflegehinweise? Wie habe ich möglichst lang was von den Klamotten? Was ist deine Empfehlung? 

Frank: Nicht zu oft waschen. Mit Wollwaschmittel waschen, da dies rückfettend ist. Bei Flecken immer sofort in kaltes Wasser legen und wenn der Fleck nicht weg ist, mit Gallseife behandeln bevor es in die Wäsche kommt. Ansonsten gibt es viele Tipps bei uns auf der Webseite für die unterschiedlichsten Arten von Flecken. Kleinere Löcher können gut kunstgestopft werden und vor der Lagerung unbedingt waschen und wenn es länger gelagert wird, macht es Sinn, die Kleidungsstücke in einem verschließbaren Beutel vor Motten und anderen Fraßinsekten zu schützen. So kann ein Merino T-Shirt viele Jahre alt werden.

Gipfelfieber: Vielen Dank, lieber Frank für die vielen, detaillierten Einsichten und die Blicke hinter die Kulissen. Demnächst gibt es an dieser Stelle noch mehr über Merino mit den Kaipara Green Trails.

10 Kommentare

  1. […] Im Zuge der Green Trails schickt Kaipara Blogger auf “Grüne Wege” zu nachhaltig betriebenen Hütten oder begleitet Ranger bei ihrer täglichen Arbeit im Naturpark. Werte und Aspekte, die auch bei der Marke Kaipara eine wichtige Rolle spielen. Die deutsche Marke mit dem neuseeländischen Namen produziert hochwertige Produkte aus reiner Merinowolle, die aus ökologischer Haltung stammt. Mehr zur Marke Kaipara, dem Gedanken dahinter und viel Nützlichem über den Rohstoff Merino erfahrt ihr im Interview mit Kaipara-Gründer Frank Selter. […]

  2. […] Die Kaipara Green Trails sind Wanderungen und Bergtouren zu besonders nachhaltig geführten Hütten, in Regionen, die vom Massentourismus noch nicht überrannt sind und auf den iwr und andere Blogger Ranger bei ihrer täglichen Arbeit begleiten. “Grüne Wege” eben. Nachhaltigkeit und Umweltbewusstsein sind auch die Werte, für die Kaipara steht. Kaipara – eine deutsche Firma mit neuseeländischem Namen – fertigt hochwertige Produkte aus reiner Merinowolle – vom federleichten T-Shirt bis hin zur kuscheligen Softshelljacke. Mehr zu Kaipara und was Merino so besonders, aber auch anspruchsvoll macht, gibt es hier im Interview mit dem Gründer Frank Selter. […]

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