Grenzerfahrungen an der Östlichen Karwendelspitze

6

Die Östliche Karwendelspitze, höchste Erhebung der Nördlichen Karwendelkette, ist über den Normalweg recht einfach zu besteigen. Für die Variante über das Vogelkar und die Westflanke gilt das nicht.

Rund um das Karwendelhaus: Grenzerfahrungen an der Östlichen Karwendelspitze © Gipfelfieber.com
Rund um das Karwendelhaus: Grenzerfahrungen an der Östlichen Karwendelspitze © Gipfelfieber.com

Zugegeben, die Tourenplanung für unsere zweite Tour im Karwendel nachdem wir am Vortag über den Brendelsteig und die Ödkarspitzen der Birkkarspitze aufs Dach gestiegen sind, war ein bisschen mangelhaft. Grob die Tour rausgesucht und die Beschreibung offline inklusive des Kartenmaterials auf dem iPhone gespeichert. Eigentlich alles wie immer. Soweit, so gut.

Ein Versehen meinerseits (genaue Beschreibung versehentlich gelöscht…) und das blinde Vertrauen auf das Kartenmaterial sorgten dann dafür, dass aus der Tour auf die Östliche Karwendelspitze eine Tortur wurde, bei der am Ende aber alles gut ging.

Die Tour auf die Östliche Karwendelspitze ist auch im Wanderführer “Vergessene Steige – Bayerische Alpen” enthalten. Das Buch ist bei Amazon erhältlich.

Start vom Karwendelhaus

Die Östliche Karwendelspitze lässt sich durchaus auch an einem Tag besteigen. Die Aufteilung auf zwei Tage ist ob des langen Anstiegs bis zur Hütte aber sinnvoller. Für eine Übernachtung im Karwendelhaus sollte man vorher reserviert haben. Nach der herbstlichen Schließung der Hütte bleibt immerhin noch der Winterraum, der so auch im goldenen Wanderherbst eine Aufteilung der Tour möglich macht.

Vom Karwendelhaus geht es kurz zurück in Richtung des Hochsattel. Hier halten wir uns links und folgen dem Steig, der sich anschließend in relativ gleichbleibender Höhe durch die Latschenkiefern windet. Wir queren die komplette Südflanke der Östlichen Karwendelspitze bis zum Eingang des Vogelkars.




Der Normalweg

Hier verpassen wir den richtigen “Ausstieg”. Vor den steilen Westabbrüchen der Östlichen Karwendelspitze windet sich der Steig hier unschwierig, teils weglos, aber mit Steinmandln markiert, durch den Südhang “Wank” bis zum weithin sichtbaren Gipfelkreuz, welches dem eigentlichen Gipfel um etwa 100 Meter vorgelagert ist. Vor dem richtigen Gipfel wartet eine kurze Kletterstelle im 1. Schwierigkeitsgrad, die aber problemlos überwunden werden kann.

Über das Vogelkar und den Westgrat

Wir verlassen uns auf das Kartenmaterial und die sporadischen Steinmänner, die uns immer weiter in das Vogelkar hineinführen. Auch das GPS bestätigt, dass wir richtig sind. Wir überraschen eine Gruppe von locker 80 Gämsen, die tollkühn die steilen Felswände hinauf flüchten. Als ob wir da hinterherkommen…

Am Ende des Kars geht es im Schutt nah an der Wand immer weiter und wir fragen uns mehr und mehr, wo der Steig sein soll. Spätestens hier heißt es umkehren, wer ohne Seil und nicht sicher im Klettern unterwegs ist.

Am Ende der sichtbaren Spuren heißt es Hand anlegen. Eine Rinne wird am rechten Rand in nicht anspruchsloser Kletterei durchstiegen. Am sinnvollsten ist es, sich schon zu Beginn rechts zu halten. Ein Zurücksteigen ist hier keinesfalls zu empfehlen, da der Wettersteinkalk extrem brüchig ist. Überhaupt macht der die Kletterei erst so schwierig (insgesamt wohl III. Grad nach UIAA). Es heißt ständig zu schauen, ob der vermeintliche Halt auch Halt bietet oder nicht polternd die Rinne nach unten rauscht.

Blick zurück… © Gipfelfieber.com
Blick zurück… © Gipfelfieber.com

Am Ende der Rinne folge ich der leichter ausschauenden Route, die mich in die steile Nordwand der Östlichen Karwendelspitze bringt. Nicht senkrecht, aber extrem steil fällt die Wand hier ab und an einer Platte, die kaum Griffe, geschweige denn Tritte bietet, endet mein Ausflug fast. Es dauert ein paar Minuten bis ich mich überwinden kann, diese zu übersteigen. Zurück geht es hier auch nicht mehr. Das Herz schlägt mir bis zum Hals, aber ich verschwende keine Gedanken an einen vermeintlichen Fehltritt. Alles eine Frage der Psyche. Und es geht gut.

Ich finde wieder auf die Westflanke zurück, die nun stetig breiter wird. Angenehmer nur wenig. Immer noch recht steil geht es im losen Schutt weiter aufwärts. Das Ende ist in Sicht, der Puls beruhigt sich langsam wieder und bald ist es geschafft und ich komme ziemlich genau zwischen vorgelagertem Gipfelkreuz und eigentlichem Gipfel oben an.

Das falsche Kartenmaterial

Laut GPS war ich im Übrigen die komplette Zeit über auf dem in der Karte eingezeichneten Steig. In der Karte von Kompass und auch im Kartenmaterial vom DAV ist der vermeintliche Steig eingezeichnet. Im Kartenmaterial von Bergfex ist dagegen der korrekte Weg eingezeichnet. Im Folgenden die Kompass-Karte mit dem Steig, dem man nicht folgen sollte (rot) und der Bergfex-Karte mit dem richtigen Steig (grün).

Nachdem ich Kompass auf die falsche Kennzeichnung hingewiesen habe, ist der Fehler im Online-Kartenmaterial von Kompass mittlerweile ausgebessert. Auch in der Kompass-Karte von ape@map ist mittlerweile die Aktualisierung erfolgt, nicht aber in der toppgraphischen karte von Österreich und Südtirol

Das kann man alles aber gut umgehen, indem man schon vor den Felswänden des Vogelkars auf den breiten Gipfelhang der Östlichen Karwendelspitze einschwenkt, das Vogelkar gar nicht erst betritt und über den Normalweg aufsteigt. Hält man sich daran kommt man relativ einfach und ohne tiefe Abgründe vor Augen auf den Gipfel.

Am Gipfel

Der Ausblick hier oben auf 2.536 Meter Höhe ist sensationell. Das komplette Voralpenland liegt im Norden zu Füßen. Im Westen die Westliche Karwendelspitze, die Zugspitze, der Hauptkamm mit den großen 3.000ern im Süden, die östlichen Karwendelerhebungen mit dem Gamsjoch, der Mondscheinspitze oder der Laliderer Spitze, dem Wilden Kaiser und den Loferer Steinbergen weiter im Osten.

Der Abstieg

Runter geht es über das Grabenkar. Oben folgt man zunächst in östlicher Richtung den Steinmandln. Kurz bevor das Kar erreicht wird, wartet nochmal eine schwierige Stelle, bei der man absolut trittsicher und schwindelfrei sein muss. Ist die einmal überwunden, geht es im lockeren Schutt ratzfatz abwärts. Nur etwa 40 Minuten brauche ich bis zum Ende des Grabenkars. Durch die Latschen geht es nun zurück zum Hochsattel und von dort in etwa zwei Stunden über den kleinen Ahornboden mit überwältigenden Ausblicken auf die steilen Nordwände der Hauptkarwendelkette zurück zum Parkplatz im Engtal.

Fazit

Zum ersten Mal eine Tour, deren Nachahmung ich nicht empfehlen kann. Landschaftlich ist sie reizvoll, aber ohne zusätzliche Sicherung ist sie einfach viel zu riskant. Empfehlenswert ist aber der Steig durch die Südseite der Östlichen Karwendelspitze, der zwar wenig markiert, dafür aber weitaus einfacher ist.


6 Kommentare

  1. Hallo, hast du eine gute Karte vom Auf und Abstieg zur östlichen Karwendelspitze? Ich führe nächstes Wochenende eine Gruppe hoch und möchte nicht den falschen Weg einschlagen. Kannst du mir auch den falschen Weg auf der Karte zusenden? So dass ich diesen auf jeden Fall vermeiden kann.

  2. Hi Sina, ich habe die Bilder mit dem richtigen und falschen Kartenmaterial nochmal fix überarbeitet und auch ein paar Infos aktualisiert, wo du aktuelles und richtiges Kartenmaterial findest. Wenn du noch was brauchst, lass es mich wissen.

  3. Hallo Andreas,

    wir wollten gestern exakt die, von dir beschriebene, Tour machen und hatten die Kompasskarte von 2013. Ich hatte die Tour im Internet gesucht, wo sie als einfach beschreiben wurde. Da es uns genauso wie dir ging sind wir, der Karte folgend, über die Westseite zugestiegen. Da es in der Woche geschneit hatte, lag relativ viel Schnee, zum Glück vereist. Mein Mann hat uns dann Stufen gebaut, mit denen wir auch über die steilen Anstiege bis zum vermeintlichen letzten Anstieg gekommen sind. Hier habe ich dann totales Muffensausen bekommen und wir haben uns entschieden mittels unserer Stufen wieder abzusteigen. Wir haben total an uns gezweifelt, da wir eigentlich geübte Bergwanderer sind und so eine leichte Tour, ohne Ausrüstung, nicht geschafft haben ( Seil, Kletterausrüstung und Steigeisen hatten wir natürlich nicht dabei). Diese Beschreibung von dir hat uns total aus der Seele gesprochen und unser Weltbild wieder gerade gerückt. Vielen Dank dafür und ich hoffe, dass andere Wanderer mit dem Ziel Östliche Karwendelspitze deinen Eintrag vor Antritt der Tour lesen, weil es über die Westseite ohne Kletterausrüstung und Erfahrung einfach nur kreuzgefährlich ist.

    Viele Grüße Sandra

    • Hi Sandra,
      ja, das Ding ist übel, aber gut, dass ihr es gut bewältigt habt. Ich kann mir vorstellen, dass es mit Schnee teilweise noch eine Spur schwieriger sein kann, an anderen Stellen vielleicht sogar etwas einfacher. Ohne Hochtourenausstattung allerdings eben wirklich sehr gefährlich, da extrem ausgesetzt. Hoffen wir, dass die meisten es vorher lesen oder neuere Karten haben. Im neuen Kartenmaterial ist es aktualisiert.
      Alles Gute euch!

Kommentieren Sie den Artikel

Bitte geben Sie Ihren Kommentar ein!
Bitte geben Sie hier Ihren Namen ein

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.