Skitour auf die Engelspitze: Eine freudige Rückkehr und ein wehmütiger Abschied

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Die Skitour auf die Engelspitze in den Lechtaler Alpen ist nur wenig schwierig und gerade im zurückkehrenden Spätwinter überraschend einsam. Ob es beim zweiten Anlauf nun endlich mit dem Gipfel klappt?

Skitour auf die Engelspitze: Eine Rückkehr und ein wehmütiger Abschied © Gipfelfieber
Skitour auf die Engelspitze: Eine Rückkehr und ein wehmütiger Abschied © Gipfelfieber

Es ist Ende April, die Tage sind mittlerweile richtig lang, in den Städten und im Flachland grünt es soweit das Auge reicht und auch in den Bergen hält langsam der Frühling Einzug, hier und dort sprießen erste Krokusse und Aurikel. Auch die Tiere haben es nicht mehr so beschwerlich, finden instinktiv die sicheren und schon schneefreien Hänge, befreien sich langsam vom Winterfell und bei Kleintieren und Alpenhühnern ist die Balzzeit bereits in vollem Gange.

Wenn es da nicht ein Comeback gäbe. Das Comeback des Winters, der nie so richtig da war und am Ende doch noch zeigen will, dass mit ihm zu rechnen ist. Selbst die grünenden Täler erreicht er noch, Hochtäler und schon apere Berge werden wieder mit einer dicken weißen Schicht überzogen.

Die Wanderschuhe lasse ich im Schuhschrank. Die schon vor einem knappen Monat in den Keller und Umzugskartons verfrachtete Tourenausrüstung krame ich dafür nochmal hervor. Das Splitboard befreie ich von erstem Rost. Und ganz innig sage ich danke zu mir selbst, dass ich meine Snowboardschuhe nach zehn Saisons doch noch nicht aussortiert habe.

Zweiter Versuch an der Engelspitze

Nach kurzen Überlegungen, wo es hingehen soll, ist das Ziel schnell klar: Die Engelspitze im Berwanger Tal. Die ist eigentlich nicht sonderlich schwer, hat mich ein Jahr zuvor allerdings zum Aufgeben gezwungen. Ein halber Meter Neuschnee und ein inmitten des steilsten Aufstiegsstücks abgebrochener Teleskopstock forderten bei der ersten Skitour zur Engelspitze ihren Tribut und zwangen uns zur Umkehr.

Der Film zur Tour

Anfahrt ins Berwanger Tal

Hinter Garmisch und der Zugspitze grüße ich bei der Anfahrt kurz hinauf in Richtung Coburger Hütte und biege in Bichlbach ins Berwanger Tal ab. Lieb gewonnen habe ich das und immer wieder komme ich gern zurück, lasse den Abzweig nach Bichlbächle zu Bleispitze und Gartner Wand links liegen, grüße das Galtjoch im Vorbeifahren und starte kurz vor dem Örtchen Namlos zur Skitour auf die Engelspitze und zur wohl letzten der Saison.

Skitour auf die Engelspitze

Schon direkt am Start kann ich anfellen und mühelos geht es die ersten Höhenmeter nach oben. Ein über den Weg gefallener Baum versperrt nur scheinbar den Weg, die Wildfütterstelle scheint zur Mittagszeit nicht besucht. Doch jäh wird der Weiterweg von einem Schild mit vorgehaltener Hand versperrt: Lawinengefahr.

Da nur Stufe eins herrscht und am kurzen Stück sowieso fast kein Schnee mehr liegt, ist das kein Problem. Auch die folgende Bachquerung nicht, nach der es im Wald weitergeht. Und zwar nicht irgendwie, sondern in erster Linie steil. Ziemlich steil. Trotz T-Shirt und Weste rinnt der Schweiß die Stirn hinunter. Im lichter werdenden Wald lasse ich die Stelle des letztjährigen Stockbruchs ohne ein erneutes Abknicken hinter mir und steige weiter auf.

Nicht undankbar für die Spuren, die zwei einsame Tourengeher auf der Skitour zur Engelspitze schon gelegt haben. Mal im Zickzack, mal gerade überwinde ich Höhenmeter um Höhenmeter, immer die gewaltige Namloser Wetterspitze im Rücken, deren Kare sonst auch die Variantenfahrer anlocken, die aber scheinbar schon im Sommermodus sind oder sich höheren Zielen in den Westalpen verschrieben haben.

Aus Bäumen werden Latschen, aus Latschen wird Gestrüpp, aus Gestrüpp wird eine glatte weiße Fläche. Unterbrochen nur von einem großen braunen Fleck, der vor kurzem erst abgerutscht sein muss. Ein Gams nutzt die Gunst der Stunde und sucht nach Futter unter dem plattgedrückten Gräsern.

Ein ständiger Wechsel zwischen steileren und nicht so steilen Passagen folgt. Ich passiere die Stelle, wo im letzten Winter Schluss war und ein erstes Gipfelkreuz am Egg. Das zweite der Engelspitze in Sichtweite, aber doch noch ein gutes Stück entfernt. Bald ist es geschafft und nach etwa drei Stunden ist der Gipfel auf 2.260 Meter erreicht.

Kreuzgipfel und Hauptgipfel

Oder ist er das gar nicht? Eine Spur führt hinter dem Gipfelkreuz in eine Senke und anschließend von hinten auf den etwa 30 Meter höheren Hauptgipfel der Engelspitze. Der ist mächtig verweht, auch der Übergang erscheint mir nur bedingt vertrauenserweckend, so dass ich es beim Kreuzgipfel belasse und still genieße, was vor mir und zu Füßen liegt.

Kein anderer Tourengeher weit und breit, obwohl die Bedingungen perfekter nicht sein könnten. Sonne satt, nur ab und an frischt ein Windzug auf.

Abfahrt und Lehrstunde

Irgendwann nach einer kleinen Stärkung und dem obligatorischen Zusammenbau des Splitboards geht es wieder hinab. Während sich die beiden Spurenleger offenbar zwischen Hauptgipfel und Seelakopf mit ihren Schwüngen im Kelmenkar, wenn auch nur vorübergehend, verewigten, fahre ich von der Engelspitze entlang des Aufstiegswegs wieder ab. Anfangs wegen der steileren Hänge sehr nah am Kamm, später in weiten Schwüngen durch den noch unberührten April-Schnee.

Beschwingt gleite ich dahin, um mich anschließend im Wald wie in der ersten Snowboardstunde zu fühlen. Die Temperaturen haben den Schnee mittlerweile pappschwer gemacht und ich komme kaum noch vorwärts. Gewicht nach vorn, um irgendwie zu beschleunigen und wieder liege ich kopfüber im Schnee. Mächtig mühsam ist es plötzlich und ich mache drei Kreuze als ich wieder den Bach im Engeltal überquere, ein paar Meter das Splitboard trage und die letzten Meter – ohne weitere Zwischen-Fälle – bis zum Auto abfahre.

Zufrieden packe ich das Equipment zum letzten Mal in den Kofferraum und ziehe von dannen, während langsam schon die Dämmerung ins so leise Berwanger Tal fällt. Und noch zufriedener fallen mir am Abend bald die Augen zu.

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Fazit

Die Skitour auf die Engelspitze im Berwanger Tal ist technisch nicht sonderlich schwierig, fordert auf einem längeren Steilstück aber doch Kraft und Kondition. Auch im letzten Zustieg zum Gipfel gibt es steilere Passagen, die aber nicht so lang ausfallen. Die Abfahrt ist Genuss pur, vor allem, wenn die Tour im Spätwinter nur ganz selten begangen ist und unberührte Hänge auf die ersten Spuren warten.

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