Skitouren rund um die Coburger Hütte: Pulverglück im Schwärzkar

1

Rund um die Coburger Hütte locken im Winter und Frühling wunderbare Skitouren. Wer sich tief in die einsame Bergwelt der Mieminger Kette wagt, wird mit traumhaften Abfahrten belohnt.

Skitouren rund um die Coburger Hütte: Pulverglück im Schwärzkar © Gipfelfieber
Skitouren rund um die Coburger Hütte: Pulverglück im Schwärzkar © Gipfelfieber

Ein leichtes Knirschen hallt durch die Luft. Die frisch geschliffene Kante des Splitboards fräst sich durch die noch angefrorene Schneeschicht und legt den Pulver frei, der unter ihr wartet und beim ersten Ausholen und Umherschwingen gänzlich leise und stumm durch die Luft rieselt. Nach wenigen Metern im noch kühlen Schatten befinde ich mich im gleißenden Licht, wo wärmende Sonnenstrahlen im Tal längst die ersten Knospen zum Sprießen bringen, hier oben dafür sorgen, dass der Schnee butterweich wird und die Kante des Boards wie ein warmes Messer durch die Butter fährt. Frühlingserwachen mal anders.

Der Film für Ungeduldige:

Doch bis es soweit ist, fließt viel Schweiß, den die Funktionswäsche dankbar aufsaugt und nach außen transportiert. Während ganz da unten die Autofahrer nämlich schon einen Termin zum Überziehen der Sommerreifen vereinbaren, heißt es hier oben, rund um die Coburger Hütte in der Mieminger Kette, nur zu überlegen, wo ein vernünftiger Platz ist, die Felle wieder aufzuziehen, um sich anschließend die nächste Abfahrt im Firn zu verdienen.




T-Shirt-Wetter im Tal

Warm ist es, als ich am Mittag des Vortages im T-Shirt bei den Ehrwalder Almbahnen mein viel zu schweres Gepäck schultere und hinein ins Gaistal, das Zugspitze und Wetterstein im Norden und Mieminger Kette im Süden durchschneidet, starte. Das Splitboard am Rucksack befestigt, erspare ich mir den Weg über die Piste, wo mir noch zu viel Verkehr herrscht. In stetem Auf kreuze ich bald die Gondel und kassiere ob meiner Last auf dem Rücken mitleidige Blicke von oben, passiere nach einer knappen Stunde die Ehrwalder Alm und überlege, mich schonmal mit einem alkoholfreien Weißbier zu belohnen.

Aber nichts da. Die Piste einmal queren und hinter dem Gasthof Alpenglühen rechts ab auf noch plattgewalztem Winterwanderweg und raus aus dem Skigebietstrubel. Das Splitboard nunmehr an den Füßen geht es auf dem Tiroler Adlerweg bergan in Richtung Ganghofer Hochloipe, die dieser Tage mehr wie eine präparierte Piste denn einer präparierten Langlaufroute wirkt.

Auf und ab zur Seebenalm

Ein kurzer Schock macht sich breit: Zuvor mühsam erschwitzte Höhenmeter werden hergeschenkt. Ohne Skifahren zu können, bin ich dankbar über die Felle, die mein ungeschicktes Abfahren auf dem zweigeteilten Splitboard gehörig abbremsen. Nach kurzem flachen Stück lädt eine abzweigende Spur zur Linken dazu ein, den Forstweg zu verlassen und das Glück im Wald zu suchen.

Auch hier ändert sich wenig am Fortkommen. Mal geht es abwärts, mal geht es aufwärts. Ohne viel Höhenmeter zu gewinnen oder zu verlieren. Bald biegen links die Tourengeher ab, die ihr Pulverglück im Brendlkar suchen. Und die, die wie ich in Richtung Coburger Hütte wollen, noch das Tajatörl einbauen. Nicht so ich. Ein auf Quasi-Ski wieder kurzes und grausiges “Abfahrtsvergnügen” und erneut verlorene Höhenmeter später, erreiche ich die Seebenalm, hinter der die mächtige Sonnenspitze hinaufragt und mächtig Eindruck schindet.

Seebensee: Tirols schönster See

Knapp 350 Höhenmeter liegen noch zwischen mir und dem erkorenen Ziel, der Coburger Hütte. Sehen tue ich sie aber erst als ich zwanzig Minuten später, Tirols wohl schönsten See passiere: Den Seebensee, der im Sommer in dem türkisestem Türkis leuchtet, dass die Farbpalette anbietet. Nur ganz am Rand meint man etwas Türkis durch die dicke Eis- und Schneedecke hindurch schimmern zu sehen. Hinter dem See ziehe ich vorsichtshalber die Harscheisen auf, um in der zwischendrin doch recht steilen Spur zu bleiben.

Aufstieg zur Coburger Hütte

Ein paar Spitzkehren und eine letzte finale Querung später erreiche ich unmittelbar die Hütte, die im Winterschlaf schlummert. Der Winterraum im Häuschen der Materialseilbahn, muss zum Glück nicht freigeschaufelt werden. Der Zutritt verschaffende Schlüssel hängt in einem kleinen Kasten direkt an der Tür. Beim Betreten freue ich mich über das Licht, das eine Solarzelle liefert und doch macht sich ein wenig Ernüchterung breit: Der Holzvorrat ist Mitte März bis auf einige wenige Brettchen geschrumpft. Das Anschüren des Ofens brauche ich gar nicht erst in Erwägung ziehen.

Im Winterraum: Kalt aber glücklich

Alles halb so wild. Ich habe damit gerechnet und sitze bald im dicken Daunenschlafsack in der Tür und fühle mich ein bisschen wie Michel aus Lönneberga während ich aus so wenig Holz wie möglich, Brennmaterial für meinen kleinen, ebenfalls eingepackten Kocher schnitze.

Nachdem der Magen gefüllt und die Nacht hereinzieht, zieht es mich ins Dachgeschoss des Winterraums der Coburger Hütte, wo es, Daune sei Dank, schnell kuschlig wird. Keiner sonst, der schnarcht. Der einzige Mensch im ganzen Seitental. Riesige Zufriedenheit umgibt mich beim Hinwegschlummern.

Aufbruch ins Schwärzkar

Erst recht beim Aufwachen. Ein Blick durch das kleine Fenster kündigt einen Sahnetag an. Die Bergspitzen in sanfte Morgensonne getaucht. Am Tajakopf beobachtet eine Gruppe Gemsen das stille Erwachen und meinen baldigen Aufbruch. Komplett wolkenumhüllt und grau ist es plötzlich als ich mit zusammengebautem Splitboard das erste Mal abfahre, um kurz darauf wieder anzufellen. Innerhalb von Minuten lichten sich aber die Wolken und während ich noch im Schatten des Vorderen Drachenkopfs ins Schwärzkar aufsteige, verziehen sie sich komplett und geben den Blick auf eine Kulisse frei, die von atemberaubender Schönheit ist.

Steil zur Vorderen Drachenscharte

Die Stille ist einzigartig. Mit einem einzelnen Skitourengeher, der von der Scharte zwischen Wampertem Schrofen (welch herrlicher Name für einen Berg) und Marienbergspitzen abfährt, teile ich mir das Gebiet. Ich umrunde weiter den Drachenkopf und nehme den steilen Anstieg zur Vorderen Drachenscharte ins Visier. Das Gelände gewinnt mächtig an Steilheit. Je näher ich der Scharte komme, desto spitzer werden die Spitzkehren. An der vorletzten ist mit dem Splitboard trotz riesigem Ausfallschritt nichts mehr zu machen. Einmal kurz abschnallen, wieder anschnallen, die letzten Meter nach oben, Ausschau halten und genießen.

Hinauf zum Grat, der im Sommer mit etwas Kletterei auf den Vorderen Drachenkopf führt, aber jetzt einer einsamen Gams vorbehalten bleibt. Hinunter zum Drachensee, der still daliegt, umrandet von den Felsriesen. Hinüber zur Sonnenspitze, an deren Fuß die Biberwierer Scharte mit einer tollkühnen Abfahrt lockt.

Pulverglück und Firnträume

Auf kleinem Platz das Splitboard zusammen zu bauen, erweist sich als gar nicht so einfach. Aber irgendwann ist es geschafft. Was folgt ist das leichte Knirschen, das leise Rieseln und später eine butterweiche Abfahrt bis zum Seebensee.

Ein kurzer Fußmarsch vorbei am See, wehmütige Blicke zurück zu dieser grandiosen Skitour inmitten der Einsamkeit, sanftes Abfahren zur Seebenalm und ein erneutes Anfellen. Zum letzten Mal für heute. Die vermeintlich längere Strecke über die Forststraße und “Loipe” erweist sich sogar als schnellere Variante gegenüber dem Abzweig durch den Wald. Das Skigebiet wieder in Sichtweite kann wieder angeschnallt werden und über die Pisten geht es locker und leicht zurück zur Talstation der Ehrwalder Bahn.

Fazit

Rund um die Coburger Hütte warten etliche Möglichkeiten und stille Abfahrten, die das Skitourenherz erfreuen. Die schroffen Gipfel bleiben den Bergsteigerprofis vorbehalten, aber die vielen Kare laden zu herrlichen Abfahrten ein. Viele teils mächtige Lawinenkegel mahnen aber zur Vorsicht, weswegen die Touren rund um die Coburger Hütte in der Mieminger Kette nur bei sicheren Verhältnissen begangen werden sollten.


1 Kommentar

Kommentieren Sie den Artikel

Bitte geben Sie Ihren Kommentar ein!
Bitte geben Sie hier Ihren Namen ein

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.