Steinböcke, Edelweiß und Glücksgefühle: Das Sonnjoch im Karwendel

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Die Besteigung vom Sonnjoch im Karwendel bietet nahezu alles, was man sich bei einer Bergtour so wünscht – abwechslungsreiche Anstiege, faszinierende Einblicke in die Flora und Fauna des Hochgebirges, spannende Tief- und weite Fernblicke. Wenn man sie nur richtig rum geht. 

Glücksmomente satt - Das Sonnjoch im Karwendel © Gipfelfieber
Glücksmomente satt – Das Sonnjoch im Karwendel © Gipfelfieber

Wir sind mittlerweile längst im Abstieg, drehen uns immer wieder zum Gipfel zurück um und stellen einmal mehr fest, dass wir haben alles richtig gemacht haben. Der Anstieg auf der Südseite muss gewaltig zehren. Nicht nur an den Beinen. Vor allem an den Nerven. Abwechslung sieht anders aus. Vielmehr ist es ein stupides Vor- und Zurückrutschen über das lose Gestein. Und von oben knallt die Sonne erbarmungslos. Das geht besser. Und wir haben es definitiv besser gemacht!




Frühstart im Falzthurntal

Wir starten unsere Tour nämlich recht zeitig. Die Mautstelle in Pertisau öffnet 7 Uhr ihre Schranke. 6:59 Uhr sind wir dort und fahren durch das Falzthurntal tief hinein ins Karwendel. Wir fahren allerdings nicht bis zum Talende, sondern stellen das Auto knapp 1,5 Kilometer vorher an einem unscheinbaren Platz auf der rechten Seite ab. Ein Schild weist den Weg zu Bärenlahnersattel und Sonnjoch.

Aufstieg zum Bärenlahnersattel

Im Wald folgen wir den Markierungen und im Bachbett schaffen wir es trotzdem kurz den Steig zu verlieren, um kurz darauf wieder auf ihm zu sein. Der zieht gleich ordentlich steil an und gewinnt so rasch an Höhe. Bald schon verlassen wir den Wald und finden uns auf saftig grünen Wiesen zwischen mächtig aufragenden Felswänden wieder. In Kehren wechseln sich steilere und flachere Abschnitte ab und der Sattel kommt immer mehr in Sichtweite.

Eine Gams sitzt in den Schuttkegeln zur Rechten und lässt sich von uns nicht beirren. Plötzlich – fast überhört man es – schlägt ein Stein auf und bahnt sich seinen Weg nach unten. Was das wohl sein mag?

Am Sonnjoch ist eine Steinbockpopulation zu Hause, soviel wissen wir aus dem Führer “Wanderungen zu den Steinböcken“. Und tatsächlich: In der extrem steilen Südwand der Schaufelspitze entdecken wir eine Steinbock-Geiß mit ihrem Kitz, beobachten sie lange und freuen uns über dieses Glück, das den meisten, die sich für den normalen Aufstiegsweg entscheiden, verwehrt werden dürfte.

Der Aufstieg zum Bärenlahnersattel zieht sich weiter, die umliegenden Gipfel vergnügen sich noch bei einem eindrucksvollen Versteckspiel in den Wolken und geben nur kurze Blicke frei, doch nach etwa 1,5 Stunden Gehzeit sind wir im Sattel angekommen. Und das Glück ist uns schon wieder hold: Die Nordwestseite vom Bärenlahnersattel ist übersät mit Edelweiß, die gerade beginnen, sich auf ihre Blüte vorzubereiten. Und im Süden verschwinden die Wolkenfetzen und geben den Blick zum Gipfelkreuz vom Sonnjoch frei.

Gipfelanstieg zum Sonnjoch

Der Steig führt nun zunächst einfach über den Gratverlauf weiter. Die Schwierigkeiten beginnen mit einem kurzen Abstieg und dem anschließenden Aufstieg durch fürchterlich loses Geröll. Zwei Schritte vor, ein Schritt zurück. Ein Schritt vor, zwei Schritte zurück.

Ist das überstanden, wird der Steig nun deutlich ausgesetzter und führt schmal über zwei Mini-Kletterstellen (Schwierigkeit I) unterhalb des Gipfels. Eine letzte Querung, eine scharfe Rechtskurve und das letzte Stück kraxeln wir einfach über den Ostgrat bis zum Gipfelkreuz vom Sonnjoch auf 2457 m.

Was für ein wunderbarer und vor allem abwechslungsreicher Anstieg. Wir schauen hinab auf die Eng und in die abweisenden Nordwände von Lamsenspitze und Hochglück, weiter westlich die Laliderer Spitze. Im Westen spitzt die Birkkarspitze heraus. Im Osten ein Zipfel vom einladenden Achensee.

Wo sind die Steinböcke?

Zwei Steinböcke in der Nordwand © Gipfelfieber
Zwei Steinböcke in der Nordwand © Gipfelfieber

Beim Rundumblick vom Gipfel halten wir Ausschau nach den Steinböcken vom Sonnjoch, doch mehr als eine Horde Gämsen an den grünen Südhängen erspähen wir nicht. Schade, aber wir hatten ja schon Glück und beginnen den Abstieg zum Gramai Hochleger. Nach knapp 100 Metern beschleicht uns das Gefühl, dass in den Nordabbrüchen der perfekte Rückzugsort für einen Steinbock wäre. Schließlich brennt die Sonne erbarmungslos und ein schattiges Plätzchen scheint da angenehmer zu sein.

Und siehe da: Zwei junge Steinböcke verstecken sich in der Felslandschaft vor allzu neugierigen Blicken und posieren doch kurz für ein Foto.

Abstieg über den Gramai Hochleger

Voll des Glückes gehen wir den weiteren Abstieg an. Und der zieht sich über das Geröll und den Schutt wie alter Kaugummi. Immer mehr Wanderer setzen sich der Sonne und dem Anstieg über diese Seite vom Berg aus und wir beschließen, dass das fürchterlich und wirklich entmutigend sein muss. Dem Ziel so nahe und doch ist es soweit weg. Wir haben es definitiv besser gemacht!

Auf der Hütte am Gramai Hochleger warten ein kühles Weißbier, ein hervorragender Kaiserschmarrn (kein Tiefkühlmüll, sondern frisch und richtig köstlich) und ein Kaffee, der drei Tage jegliche Ambitionen zu schlafen, vertreibt, auf uns. Über den Hüttenzustieg steigen wir an Wasserfällen vorbei dem Tal entgegen und legen nach dem Alpengasthof Gramai die letzten 1,5 Kilometer zum Auto auf der Fahrstraße zurück.

Fazit

Mit Glücksgefühlen im Gepäck und einer Abkühlung im Achensee treten wir die Heimreise an und sind hin und weg von der Tour. Der Anstieg über den Bärenlahnersattel mag anspruchsvoller als der Normalweg über den Gramai Hochleger sein, dafür ist er auch wesentlich reizvoller. Nicht nur aus bergsteigerischer Sicht, sondern vor allem auch aus der des Naturliebhabers.


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