Genusswandern im Engadin: Vom Val Müstair nach S-Charl

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Es geht auch mal ohne Gipfel. Vom Val Müstair führt eine einfache Wanderung ins Bergdörfchen S-Charl. Sie führt über Almen am Fuß zahlreicher 3000er vorbei. Und ein atemberaubendes Panorama jagt das nächste.

Genusswandern: Vom Val Müstair nach S-Charl © Gipfelfieber.com
Genusswandern: Vom Val Müstair nach S-Charl © Gipfelfieber.com

Zugegeben, der Name des Blogs lautet ja Gipfelfieber und das ist in der Regel eigentlich eine Bezeichnung, die den unbedingten Drang ausdrückt, einen Gipfel besteigen zu wollen. Koste es was es wolle. Das widerum hat mit dem Blog aber nichts zu tun. Denn ein gesundes Maß an Selbsteinschätzung und es kommt zu solchen Momenten erst gar nicht.

Dass man nicht unbedingt Gipfelfieber braucht, um eine Bergwanderung genießen zu können, zeigt diese Tour. Sie führt vom beschaulichen Val Müstair über Forststraßen und später schmalere Bergpfade, zahllose Almen und durch den Zirben-Urwald nach S-Charl.

Das Val Müstair

Nachdem wir uns in den Tagen zuvor auf die Suche nach Steinbock und Co gemacht haben, führt uns der Weg nun über den Ofenpass bis nach Santa Maria im Val Müstair, wo wir im altehrwürdigen Hotel Schweizerhof absteigen. Ein kurzer Abstecher ins Unesco-Weltkulturerbe – das Kloster St. Johann – ist natürlich Pflicht. Wer sich noch weiter auf kulinarische Höhepunkte einlassen möchte, dem sei unbedingt ein Abstecher zur Destillerie von Luciano Beretta empfohlen. Nicht nur die Brände für sich sind eine Sensation. Der Brennmeister ist es auch.

 Von Lü auf den Pass da Costainas

Blick zum Ofenpass im Val Müstair © Gipfelfieber.com
Blick zum Ofenpass im Val Müstair © Gipfelfieber.com

Am kommenden Morgen geht es mit dem Postauto über Fuldera hinauf nach Lü. Die ersten Höhenmeter fallen trotz sengender Sonne so sehr angenehm aus. In Lü können wir mit bloßem Auge an den Berghängen zwei Steinadler majestätisch ihre Kreise ziehen sehen. Bald schon queren wir eine breite Schneise. Im Winter 1951 riss eine riesige Lawine hier etliche Häuser und Ställe nieder, aber viel schlimmer auch drei Menschen in den eisigen Tod. Jetzt steht die Wiese in voller Blüte und nichts erinnert wirklich an das tragische Ereignis. Nur die zahlreichen Lawinenverbauungen weiter oben lassen vermuten, wie gefährlich die Lage im Winter ist.

Der Blick ins Val Müstair von hier ist grandios. Oben die schneebedeckten 3000er. Ein blauer Himmel mit ein paar Wolken. Und strahlender Sonnenschein. Aber das ist nur der Anfang…

Nach etwa einer Stunde erreichen wir die weitläufige Alp Champatsch am Fuß des Piz Terza, deren Hütte wir aber links liegen lassen. In einem kurzen Steilaufschwung erreichen wir den Pass da Costainas auf 2251 Meter Höhe. Von nun an geht es nur noch leicht bergab.

Über zahllose Almen nach S-Charl

Und wie! Wir passieren etliche Almhütten, links von uns schwingen sich die Wände des Piz Starlex steil nach oben. Es ist unglaublich schön. Und es wird nicht weniger imposant. Wir halten nun relativ gerade auf die Alp Astras zu und die aufblühenden Alpenrosen und die gewaltigen Gipfel im Hintergrund sorgen für zahllose Fotomotive, mit denen man allein hier schon einen Bildband füllen könnte.




Noch vor der Alpe halten wir uns rechts, weg vom Forstweg und zum Wald hin. Nach einem kurzen tête-à-tête mit ein paar Kühen kommen wir in den God da Tamangur. Das ist ein uralter Arvenwald (bei uns sind sie als Zirben bekannt), der als Naturwaldreservat unter strengem Schutz steht. Die ältesten Bäume hier sind bis zu 800 Jahre alt. Wer hat Glück hat, findet am Boden noch eine der begehrten Nüsse, nach denen der Tannenhäher sucht und sie dann für den Winter versteckt, indem er die Zapfen der Arve knackt. Die Zapfen sind übrigens die Grundlage für den köstlichen Arvenschnaps, den man überall in der Region verkosten kann.

Der Weg geht nun stetig am Bachlauf des Clemgia abwärts. Kühe belagern ab und an den Weg, aber sie sind uns wohl gesonnen. Mit etlichen Pausen und noch mehr Fotos erreichen wir nach etwa fünf Stunden das kleine Bergdörfchen S-Charl.

Von hier geht es mit dem Postauto in etwa einer halben Stunde bis nach Scuol, wo wir im glamourösen Hotel Belvédère absteigen, dankbar die Badelandschaft genießen und später noch länger an der Hotelbar verweilen, was mir beim Aufstieg zur Lischanahütte am kommenden Tag noch mächtig nachhängt…

Fazit

Was für eine unglaublich schöne Tour. Die Wanderung lebt nicht von ihren Schwierigkeiten oder Anforderungen an den Wanderer. Auch einen Gipfel kann sie nicht bieten. Aber das Panorama, welches wir den ganzen Tag lang vor Augen haben, ist so unglaublich schön, dass die Tour als nichts anderes als Traumtour zu bezeichnen ist.

*Ich war auf Einladung von Graubünden Ferien und vom Tourismusverband Engadin Scuol Samnaun Val Müstair unterwegs im Unterengadin. Das ändert selbstredend an der Schönheit der besuchten Orte rein gar nichts.


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