Pragser Wildsee: Reflektion in Perfektion

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Der Pragser Wildsee in Südtirol liegt mitten in den Dolomiten und ist ein wahres Mekka für Fotografen und Ausflügler aller Couleur. Und so lassen sich an dem beschaulichen Bergsee allerlei Absurditäten beobachten.

Pragser Wildsee: Reflektion in Perfektion © Gipfelfieber
Pragser Wildsee: Reflektion in Perfektion © Gipfelfieber

Es ist kurz vor 6 Uhr als ich aus dem Bett im Wohnmobil krieche. Die Nacht im herbstlichen Südtirol war frisch. Noch etwas verträumt, packe ich schlafwandlerisch meinen Rucksack, werfe an dicken Jacken über, was es überzuwerfen gibt und schlendere gemütlich zum Pragser Wildsee. Es ist ja noch eine knappe Stunde bis die Sonne ihre Strahlen über die Dolomitengipfel streckt.

Wenige Minuten sind es bis zum See. Während der still da liegt, das Wasser glatt wie eine Perle ist, herrscht an seinem Ufer Hochbetrieb. Mindestens 50 Fotografen, teils in kleinen VW-Bussen nach oben gekarrt, säumen das Ufer rund um die kleine Bootsanlegestelle. Einige machen keinen Halt vor den Absperrungen, klettern in die Boote, um sich mal möglichst einsam wirkend fotografieren zu lassen. Irgendwie ein Erlebnis für sich. Wenn auch ein zweifelhaftes.

Instagram-Hype Pragser Wildsee

Vor allem auf Instagram ist am Pragser Wildsee in Südtirol kein Vorbeikommen. Die Profile der erfolgreichen Adventure- und Outdoor-Instagrammer sind gefüllt mit den immer gleichen Motiven, die vor Idylle nur so strotzen und dabei die Realität doch nicht ganz widerspiegeln. Kein Wunder also, dass nicht nur Fotografen den See heimsuchen, angetrieben vom perfekten Bild des perfekten Sees. Noch weniger verwunderlich, dass ein Schild kurz vor dem See die Nutzung von Drohnen verbietet. So ein perfektes Bild haben wir jetzt auch:

Warum der Pragser Wildsee so beliebt ist

Doch was macht den Pragser Wildsee eigentlich so perfekt? Er ist schön, keine Frage. Aber andere Bergseen sind das auch. Der Eibsee am Fuß der Zugspitze schimmert in den unterschiedlichsten Farbtönen. Die Jöriseen in der Schweiz lassen das Herz vor lauter Freude über ihre Schönheit höher hüpfen. Und doch: So wild wie am Pragser Wildsee geht es nicht zu.




Die einfache Erreichbarkeit im Naturpark Fanes Sennes Prags mögen einen Großteil des Ansturms erklären. Vom Pustertal in den Dolomiten ist es nur ein Abstecher von wenigen Kilometern, der bequem bis fast an den See heran führt. Riesige Parkplätze sind Zeuge davon, wie es in der Hauptsaison zugehen muss.

Gerade jetzt im Herbst hat der Pragser Wildsee aber seinen ganz besonderen Reiz. Während oben die schroffen Gipfel schon mit dem ersten Schnee bezuckert sind, stehen die Lärchen im Tal in ihrer ganzen Pracht. Goldgelb säumen sie das Ufer des Sees und bringen nicht nur die Augen zum Leuchten. Eine Landschaft wie ein Gemälde.

Wenn die Luft im Herbst weniger diesig ist, der Blick über den See zu der steil aufragenden Felswand des Seekofels glasklar ist, entfaltet der Pragser Wildsee so seine ganz eigene, beinahe wildromantische Atmosphäre.

Abgelenkt vom Finden der richtigen Belichtungszeit oder dem nächsten Motiv ertappe ich mich bald dabei, wie ich das Drumherum der anderen Fotografen vollkommen ausblende. Und die wildromantische Atmosphäre beinahe vergesse.

Vielleicht ein Problem unserer Zeit, bei dem wir unsere Umwelt nur noch durch Bildschirme und Monitore wahrnehmen? Und das selbst dann, wenn wir live an so einem wunderschönen Ort sind? Etwas nachdenklich mache ich noch zwei Bilder, beschließe, dass es besser sowieso nicht mehr werden kann, schalte die Kamera aus und schaue einfach auf das, was da vor mir liegt.

Die Wanderung um den Pragser Wildsee

Während sich die Reihen der Fotografen eine Weile nach Sonnenaufgang langsam lichten, die Kleinbusse wieder abrücken, füllen sich die Parkplätze zusehends. Auto um Auto, Reisebus um Reisebus. Hunderte Besucher, Ausflügler und Wanderer wollen den vermeintlich magischen Pragser Wildsee in Südtirol nicht missen und machen sich auf den etwa einstündigen Rundweg um den See.

Die Massen verteilen sich auf der Tour dabei relativ gut. Während einige sich mit einem kulinarischen Abstecher im Hotel am nördlichen Seeufer begnügen, trifft man bei der Wanderung auf dem Rundweg auf die ein oder andere Absurdität. Senioren, die sich mit den steilen Passagen und vielen Stufen am Ostufer zu viel zugemutet haben. Familien, die mit dem Kinderwagen irgendwie versuchen, das Auf und Ab der Treppen zu überwinden. Ausflügler deren Ausrüstung die Erstbesteigung eines 8000ers vermuten lässt.

Schön ist die Wanderung trotzdem. Der See und das Wasser liegen nun nicht mehr ganz so still wie am frühen Morgen und die Reflektionen sind nicht mehr so perfekt. Vielleicht auch durch die vielen Boote, die sich nun auf dem See tummeln?

Übernachten

Auch wenn am Abend und am frühen Morgen zahlreiche Fotografen das Ufer säumen, so ist es doch die beste Zeit, um den Pragser Wildsee halbwegs in Ruhe zu genießen. Das geht am besten, wenn man im Hotel Lago di Braies oder im Wohnmobil übernachtet. Auf beiden Parkplätzen ist das nämlich gestattet. Noch eine Empfehlung: Auf dem hinteren Parkplatz (Parkplatz 2) ist das Campen mit dem Wohnmobil außerhalb der Hauptsaison nur halb so teuer wie auf dem vorderen Parkplatz.

Fazit

Der Pragser Wildsee in den Dolomiten ist alles andere als ein Geheimtipp und selbst zur frühen Morgenstunde oder am Abend ist hier falsch, wer Einsamkeit sucht. Die Schönheit, vielleicht sogar die Einzigartigkeit des Sees ist dabei unbestritten und macht seinen Reiz aus, gerade im Herbst oder im späten Sommer, wenn klare Luft und bunte Lärchen die fotogensten Motive versprechen.

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