Projekt 16 Gipfel in Niedersachen: Der Wurmberg im Wandel

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Der Wurmberg ist mit 971 m der höchste Berg von Niedersachsen. Die Ausblicke rund um den Gipfel und hinüber zum Brocken sind vor allem eins: Erschreckend. 

Projekt 16 Gipfel in Niedersachen: Der Wurmberg im Wandel © GipfelfieberProjekt 16 Gipfel in Niedersachen: Der Wurmberg im Wandel © Gipfelfieber
Projekt 16 Gipfel in Niedersachen: Der Wurmberg im Wandel © Gipfelfieber

Die Blicke reichen weit in die Ferne und zeigen ein erschütterndes Bild. In vielerlei Hinsicht. Drei Jahre ist die letzte Reise in den Harz nun her. Drei Jahre, in denen Klimawandel und Borkenkäfer Hand in Hand ihr übles Werk verrichtet haben. Baum um Baum steht kahl herum, teils schon in sich eingeknickt, wenn nicht schon ganz am Boden liegend.

Am Wurmberg und am benachbarten Brocken, dem höchsten Gipfel von Sachsen-Anhalt, lässt sich der fortschreitende Klimawandel wohl so gut wie nirgendwo sonst in Deutschland beobachten. Und er schreitet in rasanter Geschwindigkeit fort. Aber doch ist es nicht nur der Klimawandel, der hier schwere sichtbare Folgen hat. Denn rund um Brocken und Wurmberg hat vor allem der Mensch dazu beigetragen, dass in wenigen Jahren hier keine dichten Fichtenwälder mehr zu sehen sein werden, erklärt Dr. Friedhart Knolle vom Nationalpark Harz. Aber das nicht nur als Treiber des Klimawandels, sondern vor allem auch weil es schnell gehen musste.

Bergbau und Klimawandel

Bereits seit dem 9. Jahrhundert war der Harz Bergbaurevier. Es gibt sogar Funde, die darauf hindeuten, dass schon in der Bronzezeit rund um Brocken und Wurmberg nach Bodenschätzen geschürft wurde. Im 16. Jahrhundert erließ Heinrich der Jüngere, Herzog von Braunschweig-Wolfenbüttel einen folgenschweren Erlass: Um die Region für Bergleute attraktiv zu machen, garantierte man ihnen nicht nur Freiheiten bei der Jagd und dem Bergbau, sondern auch bei der Entnahme von Brennholz und Bauholz.




Die Stollen wurden danach immer tiefer in die Berge des Harzes getrieben. Die Stollen mussten mit Holz gestützt werden und die Bäume wurden zusehends weniger. Um möglichst schnell wieder vom nachwachsenden Rohstoff Holz zu profitieren, wurden Fichten ausgesetzt, die wesentlich schneller als die ursprünglich beheimateten Hartholzsorten wachsen und sich so auch wieder entnehmen lassen. Das setzte sich über die Jahrhunderte fort, nicht zuletzt in der Vor- und Nachkriegszeit als die Fichtenwälder im Harz regelrecht gerodet wurden.

Im ganzen Harz – und nicht nur dort – war (und ist) die Fichte nun vorherrschend, aber die Monokultur ist leider auch besonders anfällig. Seit 1848 wird am Brocken, der nur einen Steinwurf vom Wurmberg entfernt ist, die jährliche Durchschnittstemperatur ermittelt. In diesem Zeitraum ist die Temperatur im Mittel um ca. 2 Grad Celsius gestiegen. Zu viel für die Fichten, die so anfälliger für den Borkenkäfer sind und ihm schließlich zum Opfer fallen, so Dr. Knolle weiter.

Grün wie die Hoffnung

Bei unserer Tour von Braunlage auf den Wurmberg sind Klimawandel und Borkenkäfer allgegenwärtig. Aber auch kleine grüne Hoffnungsschimmer sprießen an etlichen Ecken des Aufstiegs in Form von kleinen Birken und anderen Laubbäumen, die zwischen den kaputten Bäumen nach und nach an Höhe gewinnen, um den Harz in hoffentlich nicht allzu ferner Zukunft wieder mit gesunden Wäldern zu bedecken.

Aufstieg auf den Wurmberg

In Braunlage starten wir unsere Wanderung auf den höchsten Berg Niedersachsens an der Talstation der Wurmbergseilbahn und wandern in hier erstaunlich intakten Wäldern langsam nach oben. Dass der Wurmberg – nicht nur per Seilbahn – ein beliebtes Ausflugsziel ist und dem Brocken nebendran in wenig nachzustehen scheint, wird schnell klar. An schönen Sommertagen sind die Wege rund um den Wurmberg gut gefüllt und ein idyllisches Gefühl mag sich so nicht wirklich einstellen.

Am Rodelhaus ist knapp die Hälfte des Aufstiegs auf den Wurmberg geschafft, doch ist es noch zu früh für eine Rast. Gemächlich geht es über die Wege weiter aufwärts, die im Winter als Skiwege dienen. Spätestens als wir die Alte Wurmbergschanze erreichen, wird klar, dass das mit der Idylle wirklich nichts mehr wird. Parallel zur 1922 angelegten Schanze führt eine metallene und völlig deplatziert wirkende Treppe gen Gipfel.

Das passt einmal mehr ins Bild, schließlich wurden im Jahr 2006 große Teile des Naturschutzgebiets dem alpinen Skifahren geopfert. Auch vor dem Wurmberg-Gipfel macht das nicht Halt: Die Bergstation der Seilbahn, ein Streichelzoo, die Wurmbergalm und ein Aussichtsturm runden das “Ambiente” ab. Von der Natur, die rund um den Gipfel zusehends in sich zerfällt und in einem grundlegenden Wandel ist, bleibt kaum etwas übrig. Die geplante Liftanlage in südöstlicher Richtung nach Schierke hinab rundet das Bild ab.

Höchster Punkt und schnell zurück

So bleibt uns nur ein kurzer Abstecher zum höchsten Punkt von Niedersachsen, der auf der Reise zu den 16 Gipfeln, den jeweils höchsten Bergen der deutschen Bundesländer natürlich nicht fehlen darf. Irgendwo zwischen Gondel und Streichelzoo finden wir, was wir suchen, nur um uns schnell wieder auf den Weg zurück zu machen (Aufstieg gesamt: ca. 1,5 – 2 h).

Beim Abstieg (ca. 1 h) folgen wir in etwa dem Aufstiegsweg, biegen aber immer mal wieder bewusst ab. Der negative Gesamteindruck verfestigt sich trotzdem mehr und mehr. In Braunlage angekommen, suchen wir schnell das Weite und sind froh, im Anschluss am Langenberg in Nordrhein-Westfalen so etwas wie das komplette Gegenteil zu erleben.

Fazit

Der Wurmberg wurde vollends dem Tourismus unterworfen, was man beim leichten Aufstieg von Braunlage bis zu seinem höchsten Punkt an etlichen Stellen vor Augen geführt bekommt. Ob er sich davon, noch dazu in Zeiten des Klimawandels, der selten so offenkundig greifbar ist wie hier, erholen kann, bleibt zu bezweifeln. So ist die Tour auf den Wurmberg wohl nur für die interessant, die ihn als einer der höchsten Berge der deutschen Bundesländer abhaken wollen oder die auch in der Natur ein gewisses Maß an Eventcharakter nicht missen wollen.

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