Piz Buin – Von Ochsen, Literaten und großer Zärtlichkeit

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Die Besteigung des Piz Buin, dem höchsten Berg Vorarlbergs, ist ein Ausflug in die Welt von Eis und Fels, die trotz ihrer Kargheit zu verzücken weiß. Schon ein ganz Großer der Weltliteratur labte sich an der Schönheit der Silvrettagruppe. 

Piz Buin - Von Ochsen, Literaten und großer Zärtlichkeit © GipfelfieberPiz Buin - Von Ochsen, Literaten und großer Zärtlichkeit © Gipfelfieber
Piz Buin – Von Ochsen, Literaten und großer Zärtlichkeit © Gipfelfieber

“Ich habe eine große Zärtlichkeit und Bewunderung für die Erde und keine Spur davon für meine Generation.”

Ob sich Ernest Hemingway wohl das dachte, als er in den 20er Jahren im Montafon und in der Silvrettagruppe unterwegs war? Beim Blick hinein in die Tiefe des Ochsentals ist das durchaus denkbar. Ein sattgrünes Tal, an seinem Eingang liegt heute ein riesiger türkisblauer Stausee, an dessen Ende sich Massen aus blankem Eis und nacktem Fels dem Himmel entgegen auftürmen. Mittendrin, vom Silvrettasee an der Bielerhöhe fast unscheinbar, ragt der Piz Buin bis auf eine Höhe von 3312 Meter hinauf, was ihn zum höchsten Berg Vorarlbergs macht. Dass sich Ernest Hemingway bis zu ihm oder gar auf ihn aufmachte, ist nicht überliefert. Und doch teile auch ich beim Anblick der Riesen seine Bewunderung.




Aufstieg zur Wiesbadener Hütte

Doch von dem Anblick ist erst einmal nichts zu sehen. Grau präsentiert sich das gesamte Montafon an diesem Tag. Aber immerhin trocken, denke ich mir. Und so kann ich die Auffahrt über die Passstraße von Partenen richtig genießen. Kurve um Kurve geht es hinauf bis zur Bielerhöhe und dem Silvrettasee auf etwas über 2000 Meter, von wo es wieder hinab ins Paznauntal geht. Am Ende des Stausees stelle ich das Auto ab und sattele das Fahrrad, um zur Wiesbadener Hütte aufzufahren.

Nach der halben Umrundung des Sees geht es nun langsam hinein in das Ochsental. Vom Gletscher und den Bergen ist noch immer nichts zu sehen. Im Gegenteil: Es wird bedrohlich dunkler und bald ergießen sich die Wolken über dem Einzigen, der hier unterwegs zu sein scheint: Mir.

Das macht das Fahren an den folgenden Steilstücken nicht einfacher. Nein, es macht es geradezu unmöglich und so komme ich irgendwann nicht umhin, abzusteigen. “Wer sein Rad liebt, der schiebt”, schießt es mir in den Sinn. Begleitet vom ein oder anderen fluchenden Gedanken. Denn so ein bisschen Sorgen bereitet mir das sich zunehmend verschlechternde Wetter. Ob das morgen in aller Früh wohl hinhauen wird?

Nach etwas über einer Stunde, und auch dem ein oder anderen gefahrenen Meter, erreiche ich schlussendlich die Wiesbadener Hütte und freue mich über trockene Kleidung, eine warme Stube und ein dreigängiges Abendmenü. Schnell ins Bett, um am nächsten Morgen bereit zu sein.

Trübe Aussichten

Die Nacht gleicht einer typischen Hüttennacht. Schlaf- und Wachphasen wechseln sich in munterer Laune ab. Ein nächtlicher Blick aus dem Fenster zeigt klaren Sternenhimmel. Ein früher Blick aus dem Fenster dagegen dichte Wolken. Kurz vorm und kurz nach dem Frühstück dasselbe Bild: Trübe Schleier verdecken die prächtige Bergwelt, von der Hemingway doch so schwärmte, vollständig. Auch Lukas von den Bergführern Montafon, mein Begleiter für den heutigen Tag, ist beim Blick nach draußen skeptisch. Wir gönnen uns also noch eine Tasse Kaffee und starten Punkt 7 Uhr.

Neue Wege über den Gletscher zum Piz Buin

Der alte Weg auf den Piz Buin führte zunächst über den Vermuntgletscher und über das Wiesbadener Grätle zur Buinlücke und von dort weiter zum Gipfel. Durch den Rückgang der Gletscher wird diese Variante heute nicht mehr gegangen; zum einen besteht im Bereich des Wiesbadener Grats eine erhöhte Steinschlaggefahr, zum anderen ist der Übergang vom Gletscher zum Fels nun erheblich schwieriger.

Ein neuer Weg, der erst im vergangenen Jahr angelegt wurde, führt uns von der Wiesbadener Hütte zunächst leicht bergab in Richtung Silvrettahorn, überquert die Grüne Kuppe zwischen den beiden Gletschern und noch zwei Bachläufe. In einfachem, aber recht steilen Blockgelände steigen wir bis zum Fuß des Ochsentalgletschers auf, wo wir uns anseilen und Steigeisen anlegen.

Über den Gletscher zur Buinlücke

Und wo wir uns freuen. Denn wir haben die Wolkendecke hinter uns und unter uns gelassen. Strahlender Sonnenschein und blauer Himmel. Und Hemingways Worte machen plötzlich Sinn. Vor uns ein grandioser Wasserfall in dessen Richtung wir über steiles Blankeis am kurzen Seil langsam aufsteigen. Ein Irrgarten aus Gletscherspalten, den wir zielsicher durchschreiten.

Bald sind wir komplett umgeben vom Eis des Ochsentalgletschers, der seinen Namen nicht ohne Grund hat: Früher wurden vom Klostertal auf Graubündener Seite Ochsen über den Gletscher ins benachbarte Montafon getrieben. Welch ein kühnes Unterfangen das gewesen sein muss? Da fühlt sich unser weiterer Aufstieg zur Scharte zwischen Großem und Kleinem Piz Buin, der Buinlücke, wie ein Sonntagnachmittagsauflug an. Mäßig steil erreichen wir die in der gut erkennbaren Spur nach etwas über zwei Stunden nach Aufbruch von der Hütte.

Gipfelanstieg zum Piz Buin

Ohne Steigeisen geht es nun nach Osten in die Westflanke des Piz Buin. Zunächst über viel Schotter und Geröll führt uns der Aufstieg zur Schlüsselstelle: Ein kurzer Kamin wird in mäßiger Schwierigkeit hinaufgeklettert (einige Führer sprechen von III. auf der UIAA-Skala, gefühlt ist es leichter). Anschließend geht es am breiten Kamm ohne Probleme (wenn nur die dünner werdende Luft nicht wäre) einfach zum Gipfel des Piz Buin. Hier haben uns die Wolken leider wieder und so erhaschen wir nur kurze Blicke hinab auf den Vermuntgletscher. Die Freude trübt das nicht. Ernest Hemingway würde sie sich schließlich auch nicht vermiesen lassen.

Abstieg wie Aufstieg

In Ermangelung einer Alternative steigen wir über den Aufstiegsweg wieder zur Hütte ab. Eigentlich liegen wir sehr gut in der Zeit, so dass auch der Aufstieg zum Silvrettahorn noch locker drin wäre.

Die Wettervorhersage ist allerdings nicht ganz deutlich und in unserem Rücken ziehen bereits dunkle Wolken auf, die den bloßen Gedanken an einen zweiten Gipfel bereits im Keim ersticken lassen.

Nach einem erfrischenden sowie verdienten Radler an der Hütte geht es, der Quälerei am Vortag sei Dank, auf dem Mountainbike zurück zum Silvrettasee.

Mit Bergführer oder ohne?

Erfahrene Hochtourengeher werden am Piz Buin sicher nicht großartig gefordert. Allerdings ist die Wegfindung zum “Einstieg” nicht ganz einfach und zumindest Gletscher-Unerfahrene sollten hier auf einen Bergführer zurückgreifen, um sicher durch das Eis geleitet zu werden. Für 330 € (gesamt; für bis zu drei Bergsteiger) geht es sicher rauf und wieder runter (auch wenn die Führung durch einen Bergführer nie so verstanden werden sollte, dass der eigene Kopf ausgeschaltet wird).

Fazit

Die Hochtour auf den Piz Buin führt in die zauberhafte Gletscher- und Bergwelt des Montafon und ist schlichtweg grandios. Auch als Tagestour gut machbar, etwas entspannter geht es aber mit einer Nacht auf der Wiesbadener Hütte. Die Schwierigkeiten halten sich in Grenzen und machen den Piz Buin zu einem reizvollen Einstieg ins Hochtourengehen.

Vielen Dank an Montafon Tourismus und Bergführer Montafon für die Einladung zu der Tour. Meine Meinung bleibt freilich meine eigene.


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