Steige zum Vergessen: Die Kampenwand

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Die Kampenwand ist wahrscheinlich einer der berühmtesten Berge Bayerns und trotzdem lohnt sich eine Tour auf sie nur selten.

Steige zum Vergessen: Die Kampenwand © GipfelfieberSteige zum Vergessen: Die Kampenwand © Gipfelfieber
Steige zum Vergessen: Die Kampenwand © Gipfelfieber

Es gibt Touren, die lohnen sich einfach immer. Weil sie landschaftlich einzigartig sind. Weil die Ausblicke überwältigend sind. Weil der Berg eine wahre Schönheit für sich ist.

Zugegeben: Auf die Kampenwand trifft das alles zu. In den meist beschaulich hügeligen Chiemgauer Alpen sticht sie heraus und jeder, der an der Autobahn gen Salzburg an ihr vorbei fährt, schaut wohl mindestens einmal ehrfürchtig zu der beeindruckend schönen Felsformation über Aschau im Chiemgau auf.

Und auch die Ausblicke, steht man dann doch einmal oben, sind aller Ehren wert. Das bayerische Meer – der Chiemsee – im Norden. Im Süden erstrecken sich die Ausblicke aufs Kaisergebirge und noch weiter bis zum Alpenhauptkamm samt Großglockner und anderen klangvollen 3.000ern.

Und doch ist die Wanderung eine zum Vergessen. An den meisten Tagen zumindest. Aber eins noch vorweg: Alles nicht so ernst nehmen…



Steige zum Vergessen

Was sind Steige zum Vergessen aber überhaupt? Steige zum Vergessen sind der Gegenentwurf zu den Vergessenen Steigen, die kürzlich gesammelt in meinem Buch im Bruckmann Verlag erschienen sind. Steige zum Vergessen machen nur wenig Spaß. Man erinnert sich nicht gern an sie zurück. Und nach einer Wiederholung schreien sie schonmal gleich gar nicht. Steige zum Vergessen sind also vor allem eins: Das Gegenteil einer Empfehlung.

Vielen Dank an Veit von AirFreshing für Idee und Wortspiel, die – natürlich – aus einer Schnapslaune heraus entstanden ist.

Die Wanderung auf die Kampenwand

Aber warum soll die Kampenwand nun eher zum Vergessen sein? Gründe für eine Wanderung auf die Kampenwand gibt es nämlich viele. Da wäre zum einen die Silhouette. Formschön thronen die zackigen Felswände über dem Chiemsee, die von unten kaum bezwingbar erscheinen und es über den Normalweg doch relativ einfach sind.

Zum anderen wäre da das größte Gipfelkreuz Bayerns, dessen Geschichte allein die Tour auf die Kampenwand wert wäre. Die Bilder, wie das zwölf Meter hohe Kreuz ganz ohne den Einsatz von Helikopter oder Drohne an seinen Platz gekommen ist, sind Alpingeschichte für sich allein. Dazu wird es an einigen Tagen im Jahr sogar beleuchtet.

Warum also lieber nicht auf die Kampenwand?

Ganz einfach: Die Kampenwand ist einer der überlaufensten Berge Bayerns, wahrscheinlich sogar der ganzen Alpen. Von München aus sind die Ausgangspunkte für die Wanderung auf die Kampenwand in einer knappen Stunde erreicht. Dementsprechend sind die Parkplätze spätestens ab dem Frühjahr bis spät in den Herbst hinein vor allem eins: Brechend voll. Wer also doch was finden möchte, parkt kreuz und quer, halb im Wald, halb im Abhang.

Bei der Wanderung durch die Wälder verläuft es sich anschließend zwar ganz gut, spätestens beim Erreichen der Sonnenalm fühlt es sich als Wanderer aber äußerst bizarr an. Denn hier oben spuckt die Kampenwandbahn – eine Fahrt in den historischen Gondeln ist ein Erlebnis für sich und unbedingt zu empfehlen, wobei die wohl bald einem Neubau weichen müssen – ihre unzähligen Mitfahrer aus, die sich mit Turnschuh und Handtasche bewaffnet nun an das ganz große Ding wagen: Die Besteigung der berühmten Kampenwand.

Am Staffelstein vorbei schieben sich die Massen nun zur Steinlingalm. Sichtlich erschöpft beschließt der Großteil nun, dass es das gewesen sein soll. Das Gipfelkreuz ist zwar nicht mehr weit, aber erst jetzt wird vielen bewusst, dass Bergsteigen auch das Überwinden von Höhenmetern bedeutet.

Der Hillary Step der Kampenwand

Im Zickzack geht es nun bis an die Felswände heran. Und siehe da: Es wartet ein relativ einfach zu durchsteigender Durchschlupf, um zum stattlichsten Gipfelkreuz Bayerns zu gelangen.

In den Weg stellt sich nur noch eine kurze mit einem Stahlseil gesicherte Passage, die sich als der Hillary Step der Kampenwand herausstellt. Der Fuß findet am mittlerweile bald blank polierten Fels kaum so richtig Halt. Die Chucks an den Füßen etlicher Aspiranten fragen sich, was sie hier eigentlich machen. Sportlich wird es vor allem dann, wenn gegenüber jemand beschließt, die Warterei satt zu haben, schließlich geht ja bald die letzte Gondel ins Tal.

Und doch steht man dann plötzlich da. Brav umzäunt, damit nach erfolgreichem Besteigen am Gipfel bloß kein Unglück geschieht, ragt das riesige Gipfelkreuz plötzlich neben einem auf. Die Ausblicke in alle Richtungen sind gigantisch und ein bisschen möchte man fast verleugnen, welche Widrigkeiten es auf dem Weg hierhin zu überwinden galt.

Wann sich die Kampenwand trotzdem lohnt?

Frühaufsteher oder Langschläfer können dagegen in den Genuss einer wiederholenswerten Besteigung der Kampenwand kommen. Zum Sonnenauf- oder Sonnenuntergang entfaltet die Kampenwand – wie auch jeder andere Berg – eine ganz eigene Magie. Die Massen sind noch nicht da oder stehen schon im Stau auf dem Rückweg nach München und so muss man den Gipfel nur mit wenigen anderen teilen.

Fazit

Die Kampenwand ist einer der formschönsten Berge der nördlichen Alpen und doch ist die Wanderung auf sie nur selten wirklich empfehlenswert. Wenn sie es dann ist, lohnt es sich dafür umso mehr.

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11 Kommentare

  1. Hallo Andreas,

    irgendwie fühle ich mich durch Deinen Beitrag angesprochen. Ich, als Großstadtpflanze, liebe die Ruhe. Deshalb und weil ich Sonnenaufgänge liebe, beginnen meine Touren meistens zwischen 2 und 3 Uhr morgens. Dann habe ich die Berge für mich. Wenn man in der Großstadt lebt, ist man Menschenmengen leider ausgesetzt. Und genau das möchte ich in den Bergen nicht ertragen. Aus diesem Grund heraus würde ich eine Tour auf die Kampenwand zum Sonnenaufgang durchführen. Ich glaube, dass ich ich dann meine Ruhe haben werde.

  2. Durch den Blog “outdoorsüchtig” von Jörg stieß ich auf diese tolle Seite. Leider finde ich nirgendwo einen Link zum “Folgen” oder so ähnlich. Ich werde sie mir auf “Favoriten” legen müssen.

  3. […] Das liegt aber nicht nur an der besseren Erreichbarkeit der Kampenwand, deren Wandergebiet bereits 1957 mit einer Seilbahn erschlossen wurde. Das größte Gipfelkreuz nicht nur der Chiemgauer Alpen, sondern ganz Bayerns ist darüber hinaus über einen zuletzt felsigen Aufstieg relativ schnell erreichbar. Warum die Wanderung auf die Kampenwand oft genug trotzdem keine gute Idee ist – und wann schon – verraten wir hier. […]

  4. Dann hatten wir wohl unsagbares Glück, dass wir uns an einem Dienstag in den Pfingstferien den Kampenwandgipfel nur mit sehr wenigen anderen Bergsteigern teilen mussten… Das hatte vielleicht auch damit zu tun, dass die „Flachlandtiroler“ bzw. „Gondeltouristen“ alle schon an der Steinling-Alm „aufgegeben“ haben und sich nur wenige an das letzte, andspuchsvollere Stück gewagt haben. Das ist aber auch absolut richtig so, denn kleine Kinder oder Flip-Flop-Träger ohne jede Bergerfahrung lassen auch besser die Finger vom Kampenwand-Gipfel!
    Wir haben trotzdem einige „Bergsteiger“ beobachten können, die es zwar „versucht“ haben, aber auf halben Weg zum Gipfel wieder umkehren mussten und nur unter größeren Problemen überhaupt wieder hinunter kamen… Macht euch bitte vorher schlau, was euch da oben erwartet!
    Für uns jedoch war es eine atemberaubende und mehr als lohnende Erfahrung! Unter den selben Bedingungen jederzeit gerne wieder!

    • Dann herzlichen Glückwunsch, Thomas! Das ist gerade in der Ferienzeit nicht unbedingt der Standard. Rundherum gibt`s aber auch noch einiges zu entdecken: Gedererwand, Sonnwendwand, Friedenrath oder Spitzstein und Geigelstein weiter hinten im Priental.

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