Nicole Baudrexl bietet mit ihren Ladiestouren begleitete Touren ausschließlich für Frauen an. Wir haben sie zum Interview getroffen.
Bergführer und Wanderführer – bis heute ist das noch eine von Männern dominierte Domäne. Die Aschauerin Nicole Baudrexl geht seit ein paar Jahren einen ganz anderen Weg: Sie bietet mit Ladiestour.bayern ausschließlich Touren für Frauen an. Im Interview erzählt Nicole wie es dazu gekommen ist, was die Touren so besonders macht und warum es nicht immer “mehr” braucht.
Gipfelfieber: Hi Nicole, danke, dass Du Dir Zeit für ein paar Fragen nimmst. Erzähl doch mal ein bisschen was zu Dir. Wo kommst Du her, wie und warum bist Du Bergwanderführerin geworden?
Nicole/Ladiestour.bayern: Ich bin in Aichach geboren, das liegt zw. Augsburg und München und ich bin erst 2016 ins Chiemgau gezogen. Anlass für den Umzug waren tatsächlich die Berge – ich wollte einfach jederzeit irgendwo hochlaufen und Aussicht haben können, ohne mich vorher ins Auto setzen zu müssen.
Ein Jahr später habe ich die Ausbildung zur Tiroler Bergwanderführerin begonnen. Meine Motivation war hauptsächlich die, Menschen mit in die Berge nehmen zu können, die sich das alleine nicht zutrauen. Außerdem möchte ich vermitteln, dass es beim Wandern oder Berggehen gar nicht immer um den Gipfel geht. Im Gegenteil: Die Zeit, die du auf dem Weg bis dorthin verbringst, ist viel länger, als der Gipfelmoment.
Natürlich ist es wunderschön, ganz oben zu stehen, das gesetzte Ziel erreicht zu haben und die Aussicht zu geniessen. Aber die Ausbildung (und die ein oder andere Verletzung) hat mir geholfen, den Blickwinkel etwas zu verändern. Mehr auf den Weg. Wie er ist und dass es vielleicht nicht immer “mehr” braucht. Das möchte ich gerne weitergeben.
Weniger Ehrgeiz und getrieben sein, mehr spüren – das können auch die eigenen Muskeln sein – und Stimmung erleben.
Gipfelfieber: Was hat Dich dazu inspiriert, nur Touren für Frauen anzubieten und wie unterscheidet sich das Erlebnis unter Frauen von gemischten Gruppen?
Nicole/Ladiestour.bayern: Aus eigener Erfahrung kann ich sagen, dass die Stimmung eine andere ist, wenn Frauen unter sich sind. Die Gesprächsthemen, der Fokus während des Unterwegsseins, die Offenheit, die vermeintliche Erwartungshaltung – alles ist anders.
Sich trauen, zu sein wie man ist, spielt mit eine Rolle. Aber das ist nicht für jede Frau gleich. Jede würde auf diese Frage wahrscheinlich (zumindest in Teilen) anders antworten. Ich wurde inspiriert durch Frauen, die mit mir am Berg unterwegs waren und die Konstellation schön fanden. Ich möchte einen Raum bieten, der nicht von Ehrgeiz beherrscht wird, sondern zeigen, dass keine besonderen Talente notwendig sind, um sich sicher auf Wanderwegen bewegen zu können. Dass “einfaches Gehen” in der Natur Freude bringen kann. Und wie herrlich das ist!
Ich hab selber viele Jahre hinter mir, die geprägt waren von Trainingsplänen, Trainingseinheiten, Angstbewältigung, Sport als höchste Priorität, der Berg ein Maßstab für mich selbst und meine Fähigkeiten. Es war eine Zeit, die ich nicht missen möchte und ich gebe nach wie vor gerne Tipps, wenn eine Teilnehmerin, egal auf welchem sportlichen Niveau, an ihrer Kondition arbeiten möchte.
Aber ich möchte eben auch zeigen bzw. ermöglichen, dass man sich den Bergen auch anders nähern kann und auch (oder grade) dieses Erlebnis eine enorme Wertigkeit birgt. Dazu braucht es eine gewisse Offenheit und Mut, von Seiten der Guides als auch der Teilnehmerinnen – und diese Eigenschaften zu leben kann in einer gleichgeschlechtlichen Gruppe vielleicht leichter fallen, als in einer gemischten.
Gipfelfieber: Mittlerweile hast Du um Dich herum ein kleines Team gescharrt. Wie kam es dazu? Kennt man jemanden davon sogar?
Nicole/Ladiestour.bayern: Ja, mittlerweile ist die One-Women-Show vom Anfang Vergangenheit. Dazu muss ich sagen, dass ich kaum etwas in diese Richtung des Wachsens unternommen habe, sondern die Sache vom Schicksal selbst in die Hand genommen wurde.
Angefangen hat es mit einer sehr hohen Nachfrage. Ich hab (etwas mehr) gegeben als ich konnte, war wirklich sehr viel am Führen, was eine Achillessehnenreizung nach sich zog. In dieser Zwangspause hat mir eine befreundete Bergwanderführerin aus dem Nachbarort ausgeholfen, wofür ich ihr immer noch sehr dankbar bin. Und weil das so gut lief, haben wir uns für eine langfristige Zusammenarbeit entschieden.
Drei andere Bergwanderführer-Kolleginnen aus dem Ladiestouren-Team waren zuerst Teilnehmerinnen auf meinen Touren. Und als wir uns drei Tage über Lebensweg, Erfüllung im Job und Herzenswünsche unterhalten haben, flatterten je ein paar Tage später Nachfragen ins Haus. Nachfragen zur Bergwanderführer-Ausbildung und ob sie für die Ladiestouren führen könnten.
Das hat mich sehr berührt und ich bin sehr dankbar, Frauen mit diesem Spirit im Team zu haben. Ja, und dann ging es Schlag auf Schlag. Präsent in Social Media bekam ich weitere Zuschriften von Bergwanderführerinnen, ob ich noch Platz im Team hätte, sie würden sich gerne einbringen. Das hat mich mega gefreut und super gepasst, da die Nachfrage weiter stieg.
Schon länger hatte ich zudem die Idee im Kopf, auch anspruchsvolle Touren anbieten zu wollen, als Frauenseilschaft unterwegs zu sein. Für diesen Part war eine Bergführerin notwendig. Zum einen, um die rechtliche Seite abzusichern, zum anderen, weil auf einer Hoch- oder Klettertour ja ganz andere Fähigkeiten notwendig sind, als auf einem Wanderweg.
Gerade in dieser Phase hörte ich den Podcast “ulligunde (p)lauscht” (große Empfehlung an dieser Stelle!!!), in dessen Folge Erika die Bergführerin Nina Schlesener aus Berchtesgaden interviewte. Und ich hab sofort gespürt, dass der Vibe passt! Wie elektrisiert hab ich Nina eine Mail geschrieben, kurz die Ladiestouren erwähnt und gefragt, ob wir uns mal auf einen Kaffee treffen wollen. Keine zwei Wochen später war das neue Programm gesetzt und mir ist schier das Herz übergelaufen vor Freude, Frauen jetzt auch auf anspruchsvollen Touren begleiten zu können.
Gipfelfieber: Für wen sind die Ladiestouren überhaupt geeignet? Wo bist Du unterwegs? Wie schwierig sind die Touren?
Nicole/Ladiestour.bayern: Die Touren haben ganz unterschiedliche Ansprüche, genau wie die Frauen auch. Wir bieten “Meine erste Hüttenübernachtung” an, eine 2-Tagestour auf einfach zu begehenden Wanderwegen durch den Chiemgau, eine 7-tägige Alpenüberquerung vom Watzmann zu den Drei Zinnen, gemäßigte Mehrtages-Wanderungen, die Besteigung von Großvenediger und Großglockner, wanderbare 3.000er in den Ötztalern und ein Trittsicherheits- und Mentaltraining in den Berchtesgadener Bergen – also wirklich sehr vielseitig und für jedes Bergsteigerinnen-Herz etwas dabei.
Gipfelfieber: Welche waren die schönsten Touren, die Du leiten durftest? Was macht sie so besonders? Und welche Orte, Gipfel, Regionen haben es Dir besonders angetan?
Nicole/Ladiestour.bayern: Die Frage nach Lieblings-Orten und -Touren wird mir oft gestellt und immer, wenn ich anfange zu überlegen und zur Antwort ansetze, fällt mir noch ein schönes Gebiet/Besonderheit/Situation ein, und noch eines… Ich will mich hier nicht festlegen, weil es nicht DAS Schönste/Besonderste gibt (meiner Meinung nach). Jedes Gebiet hat seinen Reiz, jede Gruppe ihre eigene Stimmung. Es kommt auf die eigene Perspektive an, um zu sehen, was man sieht. Das ist das Schönste.
Gipfelfieber: Wie bereitest Du Dich und Deine Gruppen auf eine Wanderung vor, insbesondere wenn es um die Sicherheit geht?
Nicole/Ladiestour.bayern: Durch die Ausbildung sind die Guides der Ladiestouren in Erste Hilfe, Wetterkunde, Orientierung und Führungstechniken geschult. Und dadurch, dass wir alle privat sehr viel Zeit am Berg verbringen, wird dieses Wissen quasi ständig aufgefrischt. Außerdem behalten wir Berichte der gängigen Medien im Auge und sind mit den von uns gebuchten Berghütten in Kontakt, sodass wir über Felsstürze oder andere massive Veränderungen in der Regel im Bilde sind.
Gipfelfieber: Was sind die größten Herausforderungen, mit denen Du auf Deinen Touren konfrontiert bist? Gab es schon Unvorhergesehenes, das Du nicht auf dem Schirm hattest? Positiv wie negativ?
Nicole/Ladiestour.bayern: Ja, so ganz vorhersehen lässt sich trotz intensiver Vorbereitung ja nie alles. Ein Murenabgang hat uns mal im Ötztal überrascht, der den Weg inkl. Brücke abgerissen hat. Wir konnten die Wegführung aber umplanen und haben schönes Neues entdeckt.
Was mich immer wieder (positiv) überrascht, ist die Stimmung in den Gruppen. Wie schnell da eine vertrauliche Gesprächsatmosphäre herrscht, wie fürsorglich untereinander ausgeholfen wird – das begeistert mich schwer.
Eine große Herausforderung, die immer wieder mal eintritt, sind Teilnehmerinnen, die sich sehr falsch einschätzen (in Bezug auf Kraft und/oder Kondition) und sicher bis zur nächsten Hütte gebracht werden müssen. Aber da helfen dann alle zusammen, so dass auch solche Situationen gut gemeistert werden können.
Gipfelfieber: Gruppen sind ja meistens so stark wie das schwächste Teammitglied. Welchen Einfluss hat das auf Deine Planungen? Und wie anpassungsfähig sind Deine Touren?
Nicole/Ladiestour.bayern: Unsere Tourenplanung basiert auf Gehzeiten, die sich aus einer Formel bestehend aus zurückzulegenden Kilometern und Höhenmetern errechnen. Die genauen Angaben stehen bei jeder Tour unter “Zeitplandetails”, so dass sich jede Interessentin vor der Anmeldung ein Bild machen und sich orientieren kann. Soweit die Theorie.
In der Praxis sieht das schon immer wieder (selten) so aus, dass die Tagesform eventuell nicht so mitspielt, wie das gedacht war oder der bisherigen Erfahrung widerspricht. Da unser Gehtempo aber grundsätzlich als sehr moderat einzustufen ist, gibt es da keine großen Aha-Erlebnisse. Ein bisschen langsamer geht immer (außer bei Gewittervorhersage, da eventuell auch mal bisschen schneller). Wenn sich eine Teilnehmerin völlig falsch einschätzt und eine Tour dadurch in der Durchführung gefährdet wird, bleibt leider nur der Abbruch (soweit möglich), das Warten auf der Hütte oder die nächste Tagesetappe mit dem Taxi/Bus zurückzulegen (eine Möglichkeit auf Alpenüberquerung).
Manchmal gibt es die Alternative, einen Weg abzukürzen oder eine Gipfeloption wegzulassen, aber nicht jede Tour kann so leicht angepasst werden. Im Großen und Ganzen sollte sich die Teilnehmerin an den Angaben auf unserer Seite zur jeweiligen Tour orientieren.
Gipfelfieber: Gibt es Momente, wo Du nur noch Motivator bist, weil eine Teilnehmerin einfach nicht mehr kann?
Nicole/Ladiestour.bayern: Ja, diese Momente gab es schon und wird es vermutlich auch vereinzelt weiter geben. Gutes Zureden, Pausen machen (essen und trinken), Rucksack-Inhalt/Gewicht aufteilen, zum Teil sogar an die Hand nehmen – dann klappt das. Meistens sind noch ein paar versteckte Reserven zu mobilisieren.
Gipfelfieber: Wie finden Dich interessierte bergbegeisterte Frauen?
Nicole/Ladiestour.bayern: Wir sind bei Facebook und Instagram vertreten unter: ladiestour.bayern oder direkt über unsere Homepage: www.ladiestour.bayern
Gipfelfieber: Danke, dass Du Dir die Zeit für die Fragen genommen hast, Nicole. Wo geht`s als nächstes hin?
Nicole/Ladiestour.bayern: Als nächstes für die Ladiestouren gehts ins Allgäu, auf den Grenzgänger. Anschließend für mich (im Rahmen der Ladiestouren) auf den Hausberg – die oben erwähnte Hüttentour im Chiemgau. Falls sich eine Leserin angesprochen fühlt: Wir haben für beide Touren noch ein paar wenige freie Plätze!