Latemar und Rosengarten bilden die grandiose Felskulisse über dem Eggental in Südtirol. Beim Selbstversuch auf dem E-Bike kommen wir den Giganten zum Greifen nah.
By fair means. Seit jeher trage ich diesen Gedanken mit mir herum, wenn es ums Wandern und Bergsteigen geht. Auch beim Fahrrad war ich dem lange treu und auf ein E-Bike zu steigen, wäre mir im Traum nicht eingefallen. Warum das mit dem E vor dem Bike aber doch gar nicht so verkehrt ist, konnte ich bei der langen Runde am Fuße der beiden sagenumwobenen Gebirgsstöcke über dem Eggental ergiebig ausprobieren. Der Selbstversuch.
Inhaltsverzeichnis
Quer durch das Eggental
Es ist ein traumhafter Juni-Morgen. Die Sonne strahlt über allem als wir die E-Bikes in Empfang nehmen. Nach kurzem kritischen Beäugen und ein paar Technik-Tipps auf dem Trainingspark in Deutschnofen geht es auch schon los.
Aufsatteln, den Computer einschalten und mit nur wenig Unterstützung geht es den ersten Anstieg hinauf. Während der ein oder andere im Tour-Modus bequem die ersten Höhenmeter zurücklegt, rinnen im Eco-Modus schnell die ersten Schweißtropfen die Stirn hinunter. Und das trotz E-Bike. Ganz ohne Anstrengung geht es also nicht.
Am Bielerhof wartet der erste Blick hinüber zum Latemar und Rosengarten. Und der ist einer zum Anbeißen. Im schattigen Wald folgt anschließend eine luftige Abfahrt, die uns über Forstwege, kurze Anstiege und wiederum spannende Abfahrten auf schmalen Trails bis nach Eggen bringt. Im beschaulichen Dorfzentrum trifft Südtiroler Bergwelt auf italienisches Lebensgefühl. Während sich der eine schon um 10 Uhr ein Glas Aperol gönnt, belassen wir es bei der alkoholfreien Variante und einer Tasse Cappucchino zum zweiten Frühstückchen. Don`t drink and drive.
Am Fuß des Rosengartens
Zurück im Sattel folgen wir unserem Guide Krauti, der sich für die geführten Touren “Cooking and Biking” verantwortlich zeigt bis nach Welschnofen. Gerade ein Balken hat sich bis hierher vom Akku verabschiedet. Und das bleibt auch erstmal so, denn hinauf an den Fuß des Rosengartens geht es mit Lift-Unterstützung.
Ein Mekka für Mountainbiker und Single-Trail-Fahrer im Speziellen wurde unter uns im Skigebiet Carezza angelegt. Der anspruchsvolle Carezza Trail führt 4,4 Kilometer und etwa 500 Höhenmeter über spitze Kehren und wagemutige Sprünge von der Bergstation an der Frommer Alm bis hinunter nach Welschnofen. Für uns, speziell für mich, ist das erstmal nichts. Behutsam und im Stromsparmodus satteln wir wieder auf. Die Schlutzkrapfen an der Moseralm füllen zumindest die körpereigenen Akkus wieder auf.
Rund um den Karersee
Auf schmalen Pfaden folgt die Abfahrt bis zum grün-türkis funkelnden Karersee. Die Wege um den See mit der sich versteckenden sagenumwobenen Nixe sind gefüllt mit Heerscharen von Touristen. Frühaufstehen lohnt sich daher ganz besonders, möchte man diesen erhabenen Ort mit seinen in beinahe alle Richtungen grandiosen Panorama in Ruhe genießen.
Da das Cooking beim “Biking and Cooking” bisher reichlich kurz gekommen ist (essen zählt schließlich nicht), radeln wir am Fuß des Latemar-Stocks zur Karersee Siedlung und auf der Passstraße am Fuß des Rosengartens bis hinauf zum Nigerpass. Die Eco-Fahrer kommen wieder gut ins Schwitzen, während die, die im Tour- oder sogar Sport-Modus fahren, sich eigentlich nicht so schnell schon wieder eine (erneute) Essenspause verdient haben.
Cooking & Biking
Am Nigerpass verlassen wir die Straße wieder. Im Wald geht es im leichten Auf und Ab bis zur Hagneralm. Wer von dem Tag noch nicht begeistert war, ist es spätestens hier. Kein anderes Haus weit und breit. Dafür die beiden eindrucksvollen Gebirgsmassive zu beiden Seiten. Eine Ruhe, die ihresgleichen sucht.
Almwirt Johann zeigt uns, wo er seinen prämierten Almkäse herstellt. In der Zeit, die er seinem Käse gibt, liegt seine Stärke. Schnell zu sein, heißt es trotzdem. Denn kaum stehen die stattliche Laibe zum Verkauf, sind sie ihm auch schon aus den Händen entrissen, so begehrt ist der Käse von der Hagneralm.
Da wir aber zum Kochen hier sind, machen wir einen Abstecher in die Küche der Hagneralm. Zusammen mit Krauti rühren wir einen Kaiserschmarrn an. Während die Almkatze meine Beine umschmeichelt, sinke ich tiefer und tiefer in einem der Liegestühle, genieße den wohl schönsten Ausblick des Eggentals und verköstige den Kaiserschmarrn. “Gar nicht so schlecht, Krauti, gar nicht so schlecht”, denke ich mir. Trotz des Kaffees in der anderen Hand sinken die Augenlider langsam nach unten.
Einfach hier bleiben. Das wär`s doch.
Quo vadis E-Bike?
Nach der sehr steilen Abfahrt zurück nach Welschnofen und dem Transfer nach Deutschnofen stehen am Ende knapp 50 Kilometer und so einige Höhenmeter auf der Uhr. Die Beine sind tatsächlich etwas schwer. Gar nicht auszudenken wie schwer sie ohne die elektronische Unterstützung wären.
Ist ein E-Bike also doch gar nicht so verkehrt? Ein bisschen Einsicht macht sich breit. Während derart lange Touren ohne E-Bike vielleicht machbar wären, aber an einem Tag doch zur Quälerei ausarten, ist es mit dem Motor Genuss pur. Weiter entfernte Ziele sind damit problemlos erreichbar. Und der sportliche Aspekt fehlt auch nicht, denn ohne in die Pedale zu treten, funktioniert es eben nicht. Und wer keinen Ersatzakku mitschleppen will und seinen Akku schont, kommt bei steilen Anstiegen im Eco-Modus auch mal ins Schwitzen.
Fazit
Der Selbstversuch auf dem E-Bike hat mich zumindest ein wenig überzeugen können, dass die Mountainbikes mit elektronischer Unterstützung ihre Daseinsberechtigung haben. Anders wäre ein solch abwechslungsreiche Tour rund um die Sahnestücke des Eggentals wohl kaum an einem Tag zu schaffen.
Danke für den Bericht zum E-Bike! Mein Cousin macht immer Mountainbike Touren in Villach-Land. Dass er vielleicht mal ein e-Bike ausprobieren sollte, muss ich ihm empfehlen. Das ist bestimmt leichter in hügeliger und bergiger Landschaft.