Von Fjorden, Steinen, Trollen und 4444 Stufen

2

Norwegen – das ist das Land der Fjorde und das Land der Trolle. Und das Land, wo aus Bergsteigen auch schnell mal Treppensteigen werden kann. 

Von Fjorden, Steinen, Trollen und 4.444 Stufen © Gipfelfieber.comVon Fjorden, Steinen, Trollen und 4.444 Stufen © Gipfelfieber.com
Von Fjorden, Steinen, Trollen und 4.444 Stufen © Gipfelfieber.com

Ein paar Monate sind seit unserem Trip nach Norwegen* schon wieder vergangen und so ist es an der Zeit, nochmal in Erinnerungen zu wühlen und zu schauen, was es da noch zu finden gibt. Denn da ist noch was…

Nachdem wir bei ziemlich miesem Wetter in Stavanger landeten, eine kleine Sightseeingtour machten und zum ersten und womöglich auch letztem Mal Wal auf dem Teller hatten (shame on me us), ging es alsbald auf in Richtung Lysefjord. Der 42 Kilometer lange Fjord hält mit dem Preikestolen ja eines der norwegischen Highlights schlechthin parat, hat aber noch ein paar mehr Sachen zu bieten. Nämlich viele viele viele Stufen, einen Stein für Wagemutige und vielleicht auch einen Troll? Letzteres, soviel kann ich vorwegnehmen, haben wir nicht zu Gesicht bekommen. Aber wenn ich an das Meisterwerk Trollhunter denke, bin ich darüber auch gar nicht so traurig…

Übersetzen nach Flørli

Um für die nächsten Tag eine gute Ausgangsposition zu haben, geht es tief hinein in den “hellen Fjord”, so die wörtliche Übersetzung von Lysefjord. Mit einem privaten Wassertaxi geht es knapp 25 Kilometer bis nach Flørli. Hier steht ein Elektrizitätskraftwerk, das heute mehr Galerie als Kraftwerk ist (ein neues Kraftwerk befindet sich mittlerweile im Berg). Dahinter erstrecken sich über den Hang ein paar einzelne Häuschen. Bis auf drei Leute und ein paar Schafe lebt hier niemand. Mit flottem Schritt erreichen wir in wenigen Minuten vom Anlegepunkt eine Hütte des Norwegischen Wandervereins, einem Äquivalent zu unseren DAV- und OEAV-Hütten in den Alpen. Die ist mit allem eingerichtet, was man braucht und es wird gekocht: Wraps mit Rentierfleisch, Joghurt und Preißelbeeren, dazu ein paar Bier und bald verlangt der Körper nach Schlaf. Den wird er brauchen.

Über 4.444 Stufen

Der Morgen wartet direkt nach dem Aufstehen mit einem Ausblick auf den tiefer liegenden Fjord. Kaffee, Rührei, alles zusammenpacken (Schokolade nicht vergessen) und auf geht`s. Allerdings erstmal wieder nach unten bevor es anschließend nach oben geht. Über 4.444 Stufen. In Worten: Viertausendvierhundertvierundvierzig. Klingt nach Schmerz, ist es auch.

Neben den Rohren des Elektrizitätswerks, die das Wasser von einem oben gelegenen See nach unten transportieren (oder transportiert haben?), gibt es Gleise auf denen Loren Material transportiert haben und es lassen sich ein paar schmale Stufen ausmachen. Die geht es nun empor.



Hundert, zweihundert und dreihundert Stufen sind bald geschafft und so langsam wird klar, dass das anstrengend wird. Der Puls steigt und der Schweiß beginnt zu laufen. Nach etwa 500 Stufen ist die erste Pause so fällig wie nötig. Und so geht es weiter. Die Markierungen, welche Stufe man nun erreicht hat, werden weniger und weniger. In 500er-Schritten machen wir Pause. Nach der Hälfte wird es immer anstrengender. Die Waden, die Oberschenkel, der Hintern. Der Hintern!!! Aber weiter. Eine Hand am Geländer, die versucht Belastung von den Beinen zu nehmen und ein Schritt nach dem anderen. Wir sind bald schon richtig hoch über dem Lysefjord und der Ausblick wird mit jeder Stufe grandioser. Das Ende ist in Sicht, die Stufen flachen ab und irgendwann sind wir am Ende angekommen. Etwa anderthalb Stunden brauchen wir für die 4.444 Stufen bei recht flottem Tempo.

Über Fels und Heidelbeeren

Nach kurzer Pause geht es weiter. Das Tagesziel Lysebotn am Ende des Fjords ist noch einen Fußmarsch von etwa 17 Kilometern entfernt. Und die Zeit sitzt uns etwas im Nacken, denn es gilt die letzte Fähre zu erreichen. Also geht es gar nicht so langsam weiter. Wir folgen den Markierungen (ein großes rotes T) und Steinhaufen über felsiges Terrain. Das Wetter ist bescheiden und so geht hier Grau- in Grauton über. Hinter beinahe jeder Felskuppe erwarte ich einen auf uns lauernden Troll, der dann zum Glück doch woanders sein Unwesen treibt.

Zwischen Millionen von Heidelbeeren gewinnen wir mal etwas Höhe, steigen wieder ein Stück ab, passieren unzählige kleine idyllische Seen und irgendwie fühle ich mich an Rohan aus Tolkien`s Epos “Herr der Ringe” erinnert. Nach einer Mittagspause, in der wir ganz kurz einen Adler zu Gesicht bekommen, geht es weiter. Wir passieren den höchsten Punkt unserer Strecke (etwa 1130 m) und das nächste Ziel rückt näher: Der Kjeragbolten.

Über dem Abgrund – Der Kjeragbolten

Eingekeilt zwischen zwei schwindelerregend hohen Felswänden hängt dort ein Stein über dem Abgrund. Nachdem wir den ganzen Tag über niemanden weiter gesehen haben, ist es hier plötzlich voll. Jeder will sich auf dem Stein fotografieren lassen. Wir natürlich auch. Und so ganz wohl ist mir dabei nicht. Vor mir spritzt das Wasser und unter mir ist 1000 Meter nichts. Eine unerwartete Windböe und das war`s, denke ich mir. Aber das Foto ist bald im Kasten und wir wieder vom Stein herunter.

Ein Stück Schokolade und eine Nussmischung mit salzigen Rosinen (wer denkt sich denn sowas aus?) füllen die Speicher nochmal auf bevor es auf die letzte Etappe geht. Knapp fünf Kilometer sind es noch bis Lysebotn, auf denen es mal hoch, meist aber runter geht. Irgendwann ist das einem Adlerhorst nachempfundene Restaurant Øygardstølen erreicht, von wo aus uns ein Taxi die unzähligen Haarnadelkurven bis zum Fährhafen am Ende des Fjords bringt. Wir sind pünktlich. Die Fähre nicht.

Auf der Fahrt durch den Fjord können wir von unten nochmal ausmachen, worauf wir da standen. Auch Fjørli passieren wir und am Ende des Tages sinken wir in unsere Betten und gönnen uns den wohlverdienten Schlaf.

Fazit

So wie hier beschrieben, ist die Tour über die 4.444 Stufen, das Plateau über dem Lysefjord bis hin zum Kjeragbolten und nach Lysebotn zwar absolut lohnenswert, aber extrem lang und damit nur wirklich fitten Wanderern zu empfehlen. Aufteilen lässt sie sich nur, wenn man mit Biwakausrüstung ausgestattet ist (in Norwegen gilt das Jedermannsrecht), eine Hütte fehlt auf der Strecke leider. Landschaftlich ist sie allerdings atemberaubend und der Tag war diesen Kraftakt definitiv wert.

Mehr Informationen

Kjeragbolten, Flørli 4.444, Region Stavanger

*Die Reise nach Norwegen erfolgte auf Einladung von Visit Norway. Die Meinung bleibt trotzdem meine eigene.


Teile diesen Beitrag

2 Kommentare

Kommentieren Sie den Artikel

Bitte geben Sie Ihren Kommentar ein!
Bitte geben Sie hier Ihren Namen ein

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.