Eckzahn mit Karies im Endstadium: Das Lärchegg im Wilden Kaiser

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Auf das Lärchegg im Wilden Kaiser führt eine anspruchsvolle und nicht zu unterschätzende Bergtour, die zwischendurch gehörig nervt. Nichtsdestotrotz hat sie grandiose Aussichten zu bieten und entführt in eindrucksvolle Gebirgs- und Felslandschaften. 

Eckzahn mit Karies im Endstadium: Das Lärchegg im Wilden Kaiser © Gipfelfieber
Eckzahn mit Karies im Endstadium: Das Lärchegg im Wilden Kaiser © Gipfelfieber

“So eine verfluchte schottrige Sch….”, entfährt es mir irgendwann als sich meine Lust dem absoluten Nullpunkt nähert. Im Gegensatz zur Außentemperatur: Über 30 Grad sind es. Die Sonne knallt auf den Kopf. Alles ist Schweiß getränkt und selbst ein sommerliches Unwetter könnte die Klamotten einschließlich mir kaum noch nasser machen. Kein Spaß und nur noch ein bedingter Wille sind es, die mich zum Weitergehen veranlassen. Wie es soweit kommen konnte? Dabei sah doch alles so gut aus.




Lange liegt der letzte Besuch im Wilden Kaiser schon zurück. Immer wieder vorgenommen, ihn am Stripsenkopf und an der Pyramidenspitze immerhin mal wieder aus nächster Nähe gesehen und doch zog es mich zuletzt in andere Gefilde und Gebirge. Zu Unrecht. Denn der Wilde Kaiser, der Teil des Kaisergebirges, der mit bizarren Steinriesen und abenteuerlich steilen Felswänden beeindruckt, bietet viele anspruchsvolle Ziele in steilem Gelände, die von weitem kaum machbar aussehen, es oft aber doch sind.

Das Lärchegg

Eines davon ist das Lärchegg (oder Lärcheck oder Lärcheggspitze). Im östlichen Teil des Wilden Kaisers ragt es wie ein steiler Eckzahn heraus. 2.123 Meter hoch stürzt sie zu ihren Abbrüchen im Norden, Osten und Süden steil hinab. Nur tollkühne Kletterer wagen sich in diese Routen. Vom Kaiserbachtal und über seine westlichen Ausläufer lässt sich das Lärchegg allerdings besteigen. Auch hier ist die Tour anspruchsvoll, für den versierten Bergsteiger aber zu bezwingen.

Steiler Aufstieg vom Kaiserbachtal

Der Startpunkt der Tour auf das Lärchegg liegt in der Nähe der Latschenölbrennerei im Kaiserbachtal. 4 Euro Mautgebühr kostet die Einfahrt in das herrlich gelegene Tal. Den spitzen Eckzahn stets im Auge. Bei der Brennerei wird nochmal tief durchgeatmet. Drei Stunden sind angeschrieben. Ein Blick nach oben lässt Zweifel aufkommen.

Und doch: Nach der Überquerung des Baches biegt ein kleiner Steig zunächst in den Wald, führt durch ein ausgetrocknetes Flussbett direkt auf eine Steilwand zu, ab. Direkt davor windet der sich nun sehr steil durch Latschen, über glitschige Passagen, die teils mit Stahlseilen versichert sind, nach oben. Innerhalb kürzester Zeit sieht die Latschenölbrennerei im Tal nur noch wie eine Miniaturausgabe ihrer selbst aus. Das Gelände ändert sich zunächst kaum. Auch der Weg nicht. Und so sind bald einhundert, bald zweihundert und bald dreihundert Höhenmeter überwunden.

Nach der ersten Herausforderung flacht das Gelände nun langsam ab, mehr und mehr geht es nun im losen Schotter das östliche Griesener Kar hinauf. Wer früh startet, kann hier noch lange im Schatten gehen. Wer spät startet, ist der prallen Sonne ausgeliefert. Im latschendurchsetzten Tal wird rasch weiter an Höhe gewonnen bis sich das Kar plötzlich öffnet und sich zur Linken ein riesiges Schuttkar präsentiert. Zahlreiche Steinhaufen zeugen davon, dass es zum Gipfel des Lärcheggs dort hinauf geht.

Steil und steiler durch das Schuttkar

Und so geht es dahin. Meist in der Mitte der Schotterpiste führt der Steig im Zickzack nach oben. Vor allem weiter oben wird das im losen Geröll immer mehr zur Qual. Nur noch zweihundert Höhenmeter trennen mich vom Gipfel. Gefühlt sind es vierhundert und es werden nicht weniger. Ein Schritt vor, ein halber zurück. Der ein oder andere Fluch gesellt sich noch dazu bis eine große Markierung den Weg aus dem Schutt weist. Endlich.

Über felsdurchsetzte Schrofen führt der schmale Steig nun durch den westlichen Gipfelaufbau des Lärcheggs. Auch hier ist alles locker. Man könnte fast denken, der Eckzahn des Wilden Kaisers hätte Karies in seiner schlimmsten Form und ist dabei, sich komplett aufzulösen. Die Steilheit zieht noch einmal an. Die immer wieder verblassenden Markierungen führen in eine Rinne, die mit einem Stahlseil gesichert ist. Waren auch ohne Sicherung bisher ausreichend Griffe und Tritte vorhanden, wird es kurz darauf eher spärlich und ausgesetzt. Mit viel Luft unter dem Hintern geht es um den westlichen Ausläufer des Lärchegg-Gipfels. Der Klettersteig (Schwierigkeit B, ganz kurz C) scheint relativ neu zu sein, offenbar um den alten Weg mit hoher Steinschlaggefahr zu umgehen.

Dieser alte Anstieg stößt kurz darauf in einer Scharte von rechts dazu. Über Schrofen, den ach so geliebten Schotter und zuletzt ein wenig Kraxelei im Fels geht es zum erst spät sichtbaren Gipfelkreuz des Lärcheggs (etwa 3 Stunden Gehzeit). Der Eckzahn ist hier mehr rund als spitz, bietet ungeahnten Platz und doch scheint es am Lärchegg ruhiger zuzugehen wie ein Blick in das Gipfelbuch verrät. Selbst auf den nahen Gipfeln ist weit und breit kein Mensch auszumachen.

Der (alte) Abstieg

Abstieg über den "alten Weg" mit Kletterei durch die Rinne © Gipfelfieber
Abstieg über den “alten Weg” mit Kletterei durch die Rinne © Gipfelfieber

Der Abstieg erfolgt zunächst auf gleichem Wege. Wo man sonst nicht empfehlen kann, auf solch eine Tour allein aufzubrechen, so macht es am Lärchegg doch fast schon Sinn. Unmengen an losem Gestein liegen herum und lauern darauf losgetreten zu werden. Ein großer Stein rutscht unter meinem Fuß weg und verursacht weiter unten ein kleines Beben. Zurück an der Scharte lockt ein großer roter Pfeil, links dem alten Weg zu folgen. Nach wenigen Metern löst der große Zweifel aus, denn hinter einer Kante ist der vermeintliche Steig plötzlich weg.

Die rote Markierung verrät, dass es trotzdem dort entlang geht. Die Spuren des Stahlseils, das hier mal angebracht war, sind noch sichtbar. Auch ohne das geht es mit guten Griffen und guten Tritten, aber recht ausgesetzt abwärts. Ein sicheres Klettern im mindestens 2. Schwierigkeitsgrad und eine Portion Ruhe sollte man dabei haben.

 

Zur Fritz-Pflaum-Hütte und Grieseneralm

Nun trifft man wieder auf den Aufstiegsweg und gelangt nach kurzer Zeit zurück ins Schuttkar. So fühlt sich das wohl an, wenn gegen einen Castor-Transport demonstriert wird, denke ich mir, als ich im losen Schotter abfahre. Am Ende des Kars hält sich links, wer nicht über den Aufstiegsweg absteigen möchte. Nun geht es gemächlicher weiter. Ein sanfter Steig führt zu den bedrohlichen Wänden unterhalb der Ackerlspitze und in die markante Scharte zwischen Kleinkaiser und Mitterkaiser.

Spät erst sieht man die 1928 hier errichtete Fritz-Pflaum-Hütte, die idyllischer kaum liegen könnte. 2007 wurde versucht, die unbewirtschaftete Hütte zu bewirten, bekam dafür aber keine Genehmigung. Die Selbstversorgerhütte ist allerdings nur mit einem Alpenvereinsschlüssel zugänglich und bleibt mir dieses Mal verschlossen. Nach einer ausgiebigen Rast steige ich durch das Große Griesner Tor zur Grieseneralm ab, von wo es über die Straße in wenigen Minuten zum Ausgangspunkt geht (zügige 1:15 h von der Hütte).

Fazit

Ein kräftezehrender Aufstieg, nette Kraxeleien auf den Gipfel und eine Hütte, die wie ein verlorenes Kleinod wirkt, machen die Tour auf das Lärchegg aus. Das alles in einer beeindruckenden Gebirgslandschaft. Von weitem erinnert der Gipfel an einen Eckzahn im wahrlich zahnreichen Gebiss des Wilden Kaisers. Seine Besteigung bleibt den versierten Bergsteigern vorbehalten, die trittsicher und schwindelfrei sind. Auf Grund der durchweg hohen Steinschlaggefahr empfiehlt es sich, selbst auf der relativ wenig begangenen Tour, einen Helm mitzunehmen.

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