Die Eiskapelle im Winter: Finstere Stille an der Watzmann Ostwand

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Am Fuß der Watzmann Ostwand liegt die sagenumwobene Eiskapelle mit ihrer Kuppel aus Schnee und Eis. Die Wanderung zur Eiskapelle ist im Winter aber mehr als bedrohlich.

Die Eiskapelle im Winter: Finstere Stille an der Watzmann Ostwand © Gipfelfieber
Die Eiskapelle im Winter: Finstere Stille an der Watzmann Ostwand © Gipfelfieber

“Hier in einem Winkel zwischen den abgeschnittenen zwey- und dreytausend Fuss hohen Felsen rinnt der Bach dieses Thals aus einem prächtigen Eisgewölbe hervor, dass der Witterung trotzend sich immerwährend erhält,” heißt es in einer der frühesten Erwähnungen der Eiskapelle vom November 1797 als Wilhelm von Humboldt zusammen mit Leopold Freiherr von Buch über den Königssee ruderte und die Wanderung zur Eiskapelle auf sich nahm.

Die Sonne schafft es über zwei Jahrhunderte später Ende Dezember gerade so über das Steinerne Meer, den riesigen Ausläufer im Süden der Berchtesgadener Alpen. Ihre Strahlen tauchen die frisch verschneite Winterlandschaft in ein grell glänzendes, an allen Ecken und Enden funkelndes Licht. Sobald wir auf dem Weg zur Eiskapelle den Eisgraben betreten, ist von ihrer Strahlkraft aber nichts mehr übrig, denn an den kürzesten Tagen des Jahres schafft es die Sonne hier gar nicht mehr hin.

Die Eiskapelle

Die Watzmann Ostwand © Gipfelfieber
Watzmann Ostwand © Gipfelfieber

Die Eiskapelle liegt am Fuß der berüchtigten Watzmann Ostwand und ist wie das ganze Watzmann-Massiv ein beinahe mystischer Ort. Das tiefst gelegene permanente Schneefeld der Alpen entsteht durch den Schnee, der in den Wintermonaten aus der steilen Ostwand in Form von Lawinen hinabstürzt und dieses permanent speist. Der darunter fließende Bach höhlt das Schneefeld immer weiter aus und so entsteht die Eiskapelle, teils mit einer Deckenhöhe von bis zu 20 Metern. Selbst heiße Sommer und schneearme Winter haben es bisher nicht geschafft, die Eiskapelle verschwinden zu lassen. Und doch: Die gesamte Masse ist in den vergangenen 65 Jahren auf knapp einer Fünftel ihres ehemaligen Volumens geschrumpft.

Mit dem Schiff nach St. Bartholomä

Rudern müssen wir heute zum Glück nicht mehr. Mit einem der ersten Boote des Tages fahren wir nach St. Bartholomä (Winterfahrplan beachten, hin und zurück 15 €). Die Beliebtheit des Königssees scheint selbst im Winter nur wenig abzuebben und die Boote sind bis auf den letzten Platz gefüllt. Vorbei am Königsbach-Wasserfall und der berühmten Echo-Wand tuckern wir gemütlich St. Bartholomä entgegen und sind froh, die etwa fünf Kilometer lange Strecke nicht im Ruderboot absolvieren zu müssen.

Die Kapelle von St. Bartholomä

Während sich auf der gegenüberliegenden Seite im Reitl genüsslich ein Rudel Hirsche an der Futterstelle den Magen vollschlägt, sind es in St. Bartholomä mehrere Touristen Rudel, oft mit Turnschuh und Selfie-Stick bewaffnet, die teilweise schon beim Ausstieg fragen, wann das Boot wieder zurück fährt. Die Sonne zeigt sich unbeeindruckt und taucht die Wallfahrtskirche in ein grandioses Licht.

Bereits am 24. August 1134 wurde die Kapelle eingeweiht, Ende des 17. Jahrhunderts aber abgerissen und als Neubau mit der heutigen Form wieder errichtet. Wie bei so vielen prächtigen Bauwerken im oberbayerischen Alpenraum war es König Ludwig II., der die Kapelle St. Bartholomä Mitte des 19. Jahrhunderts auf Staatskosten restaurieren ließ. Jahr für Jahr kommen nicht nur Heerscharen von Touristen. Am 24. August zur Almer Wallfahrt, der ältesten Wallfahrt Europas, kommen bis zu 2.000 Pilger in St. Bartholomä zusammen.

Im Schnee zur Eiskapelle

Unser Weg führt uns schnell weg vom Trubel rund um die Kapelle. Ein breiter Weg führt uns durch den Wald, wo zwischen den Bäumen die Sonne funkelt. Der Anstieg ist kaum erwähnenswert. Erst als wir bei der Kapelle St. Johann und Paul erstmalig den Eisgraben überqueren, wird es nicht nur finster, sondern auch etwas steiler. Trotz des vielen Schnees im noch jungen Winter, geht es gut voran.

Nach einer knappen Dreiviertelstunde warnt ein Schild erstmalig vor dem Weiterweg. Die engste Stelle des Tals passiert, wird es nun etwas beschwerlicher, da im tiefen Schnee gespurt werden muss. Langsam kommen wir dem Fuß der legendären Watzmann Ostwand immer näher. Von der Eiskapelle selber ist keine Spur.

Die Suche nach dem Eingang der Eiskapelle

Aus gutem Grund, wie wir beobachten können. Fast geräuschlos bahnt sich eine riesige Lawine mit frischem Pulverschnee durch die Watzmann Ostwand. Eine riesige Staubwolke stürzt die Wand herab und speist das Schneefeld über der Eiskapelle. Selbst im sicheren Abstand ein beängstigendes Bild.

Die Eiskapelle ist in diesem schneereichen Winter längst verschüttet und nicht mehr zugänglich. Ihr Eingang liegt begraben unter den Schneemassen und es lässt sich nur erahnen, wo er sein müsste. Gerade da die Eiskapelle stetig im Wandel ist, können wir nur raten. Und so ist für uns etwa vierhundert Meter vor dem eigentlichen Ziel Schluss. Der Weiterweg hinter einem weiteren Warnschild ist im Winter lebensgefährlich. Zu nah würden wir uns in den lawinengefährdeten Bereich begeben. Die Eiskapelle zu erreichen, käme einer Lotterie gleich. Den verschütteten Eingang zu finden, einem Selbstmordkommando.

Rückweg nach St. Bartholomä und Rückfahrt

Mit uns beschließen viele nachkommende Winterwanderer, ebenfalls den Rückweg anzutreten. Mit schwerer Kameraausrüstung bewaffnet, teils in Turnschuhen, strömen aber immer noch mehr und mehr Menschen der Watzmann Ostwand entgegen. Wohl die wenigsten wissen um die Risiken und es bleibt zu hoffen, dass die endenden Spuren im Schnee und die frischen Lawinenkegel Warnung genug sind.

St. Barholomä ist indes schnell wieder erreicht und selbst die Sonne ist in der späten Mittagszeit hier schon wieder fast verschwunden. Einem kurzen Abstecher ans Seeufer folgt die Rückfahrt zur Seelände, wo sich die Händler über stetig nachkommende Touristen aus aller Welt freuen.

Fazit

Die Wanderung zur Eiskapelle im Winter führt weitestgehend einfach durch eine grandiose und zugleich furchteinflößende Berglandschaft. Nur im Frühwinter hat man noch eine Chance, die Eiskapelle überhaupt “richtig” zu Gesicht zu bekommen. Der letzte Aufstieg bis zum Schneefeld, unter dem die Eiskapelle liegt, ist im Winter nicht nur nicht ratsam, sondern lebensgefährlich, da aus der Watzmann Ostwand ständig Lawinen herab zu stürzen drohen.

8 Kommentare

  1. Hallo Andreas, so ging es uns vor ein paar Jahren auch. Im Winter zur Eiskapelle, um sie dann nicht zu finden. Wir hatten damals auch einige kleinere Lawinen gesehen. Als Warnung haben sie, zusammen mit dem Lawinenkegeln auf der großen Schneefläche, schön ausgereicht.
    Ich werde wohl im Sommer noch einmal wiederkommen müssen.
    Ein toller Artikel!

  2. […] Der Watzmann. Faszination & Mythos. Andreas von „Gipfelfieber“ nimmt Euch mit auf eine tolle Bilder-Reise über den Königssee nach St. Bartholomä und weiter zur Eiskapelle, unterhalb der mächtigen Watzmann-Ostwand. Wie das eingangs zitierte Lied von Wolfgang Ambros zu deuten ist, ob Andreas die sagenumwobene Eiskapelle gefunden und was er von seiner Tour zu berichten hat: lest selbst. […]

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