Nichts für schwache Nerven: Von der Pyramidenspitze zum Rosskaiser

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Im Kaisergebirge wartet mit der Pyramidenspitze und der Gratüberschreitung zum Rosskaiser eine spannende und zugleich sehr anspruchsvolle Tour auf den erfahrenen Bergsteiger. Exklusive Tiefblicke garantiert.

Nichts für schwache Nerven: Von der Pyramidenspitze zum Rosskaiser © Gipfelfieber.com
Nichts für schwache Nerven: Von der Pyramidenspitze zum Rosskaiser © Gipfelfieber.com

Die Gratüberschreitung von der Pyramidenspitze zum Rosskaiser ist eine der anspruchsvollsten Touren, die der Zahme Kaiser zu bieten hat. Zwar halten sich die technischen Schwierigkeiten im Rahmen und mit Kletterschwierigkeiten bis zum II. Grad auf der UIAA-Skala gibt es gerade gegenüber im Wilden Kaiser deutlich anspruchsvollere Touren.

Dafür kommt es noch mehr auf die Kondition an, denn schon der Aufstieg zur Pyramidenspitze ist kräftezehrend. Überschreitung und Abstieg kommen noch oben drauf. Mindestens genauso wichtig ist die mentale Komponente. Die Überschreitung setzt ab der Pyramidenspitze absolute Schwindelfreiheit und Trittsicherheit voraus. Zu beiden Seiten geht es am Grat steil hinab und Fehltritte haben die schlimmsten Folgen, was sich bei Unfällen im Juli 2015 und im Juli 2023 auf traurige Weise bewahrheitete.

Die Überschreitung des Zahmen Kaisers über Pyramidenspitze und Rosskaiser ist auch im Wanderführer “Vergessene Steige – Bayerische Alpen” enthalten. Das Buch ist bei Amazon erhältlich.




Von Durchholzen zur Winkelalm

Die Tour zur Pyramidenspitze und zum Rosskaiser startet im kleinen Ort Durchholzen in der Ferienregion Kaiserwinkl, wo es am Wanderparkplatz in Richtung der steilen Wände des Winkelkars geht.

Der zunächst noch asphaltierte Weg hat lang eine sehr angenehme Steigung, die den Puls nur langsam steigen lässt. Ab der Großpointneralm wird es steiler und ab der Winkelalm steilt es nochmal an und unaufhaltsam zieht sich der Steig mehr und mehr an Höhe gewinnend bis in die westlichste Ecke des Winkelkars.

Der Pyramidenspitz Klettersteig

Hier beginnt der Klettersteig auf die Pyramidenspitze. Der ist nicht durchgehend gesichert und Trittsicherheit im ausgesetzten Gelände ist daher nicht verkehrt. Ein Klettersteigset ist für Erfahrene nicht nötig. Ein Helm dagegen ist nicht schlecht, denn im oft losen Gestein löst sich schnell mal etwas, was dann mit Karacho nach unten saust. Die Sonne knallt mittlerweile so richtig auf`s Haupt und der Schweiß läuft ohne Ende. Nach ein paar ungesicherten Kletterstellen (I) flacht der Klettersteig etwas ab (wer will, macht einen kurzen, aber recht anspruchsvollen Abstecher zur Jovenspitze, 1.890 m), bevor er kurz unterhalb des Gipfels noch eine Steilstufe – teilweise über Klammern – überwindet.

Erst ganz knapp vor Erreichen des Gipfels sieht man das 2016 neu errichtete Kreuz der Pyramidenspitze. Der höchste Punkt des Zahmen Kaisers ist – anders als lange (von vielen vielen heute noch) vermutet – damit aber noch nicht erreicht. Trotzdem bietet sich am Gipfel der Pyramidenspitze (1.997 m, 2,5 – 3 h von Durchholzen) ein grandioser Ausblick in die Nordwände und Kare des Wilden Kaisers, ins Inntal und hinab ins Winkel- und Scheiblingsteinkar.

Die Pyramidenspitze ist auch von der anderen Seite aus dem Kaisertal über das Anton-Karg-Haus erreichbar. Alternativ erfolgt der Zustieg direkt von Kufstein über die Vorderkaiserfeldenhütte.

Übergang zur Vorderen Kesselschneid

Nach einer kurzen Pause geht es weiter. Wir steigen hinab in Richtung der Scharte zwischen Pyramidenspitze und Vorderer Kesselschneid. Rechts zweigt hier der Weg gen Kaisertal mit Hans-Berger- und Anton-Karg-Haus (Hinterbärenbad) ab. Dem folgen wir nicht. Von nun an geht es weglos weiter und in wenigen Minuten unschwierig hinauf auf die Vordere Kesselschneid, den mit 2.001 Metern Höhe wirklich höchsten Gipfel des Zahmen Kaisers und einen waschechten Zweitausender. Den einzigen, den der Zahme Kaiser zu bieten hat.

Wegloser und ausgesetzter Grat

Direkt nach dem Gipfel, den nur ein Steinmandl markiert, wird es spannend. Steil geht es über Gras und Fels abwärts; Versicherungen gibt es keine. Mit Händen und Füßen tasten wir uns langsam nach unten, ständig auch das lose Gestein im Auge habend. Anschließend geht es wieder hoch. Und wieder runter. Und wieder hoch. Und wieder runter. Und so weiter.

Steigspuren sind keine oder nur minimal erkennbar. Der Weg wird aber durch das Gelände mehr oder weniger vorgegeben und verläuft mal direkt auf dem Grat, mal auf dessen südlicher Seite. Immer wieder müssen wir mit den Händen zupacken. Am Ende einer Rinne klettern wir direkt am Rand des Abgrunds zum Winkelkar. Schwache Nerven sind hier nicht angebracht. Wer nicht schwindelfrei und absolut trittsicher ist, hat hier nichts verloren. Jeder falsche Schritt, jeder falsche Griff hat hier und an vielen Stellen der Gratüberschreitung fatale Folgen.

Wem das beim Abklettern ab der Vorderen Kesselschneid schon zu viel ist, der kehrt besser um.




Einsamer Gipfel – Hintere Kesselschneid

Sehr langsam geht es voran, aber bald wird es wieder einfacher und es zweigt der Grat zur Hinteren Kesselschneid (1.995 m) ab, deren Gipfel in wenigen Minuten unschwierig erreicht ist. Das Gipfelbuch zeugt davon, dass hier extrem wenig los ist. Mein Eintrag ist erst der zweite im Jahr 2015. Auf dem Weg zurück zum Grat passieren wir ein Schneefeld, unter dem sich bereits ein Hohlraum gebildet hat. Hier läuft das Schmelzwasser wie aus dem Wasserhahn und füllt unsere schon bedrohlich leeren Wasserflaschen wieder auf. Die Sonne ist mittlerweile im Zenit und prallt immer erbarmungsloser auf uns herab.

Kraxelei auf den Rosskaiser

Der Grat wird nun erstmal ein wenig freundlicher, bevor die Schwierigkeiten wieder zunehmen. Es wird enger und immer wieder gibt es Kraxelstellen (bis II). Der Rosskaiser rückt näher, aber wie wir auf ihn drauf kommen sollen, fragen wir uns lang, denn von weitem sieht er extrem steil aus. Aber je näher man kommt, desto überwindbarer scheint das vermeintliche Hindernis. Und das ist es am Ende auch. Erst durchklettern wir steiles Schrofengelände, dann müssen wir nochmal die Hand an den Fels legen und dann ist es auch schon geschafft und der Gipfel vom Rosskaiser (1.970 m) ist erreicht.

Abstieg zur Hochalm

Mit Pausen sind wir mittlerweile fast sechs Stunden unterwegs und die Reserven müssen wieder gefüllt werden. Nach einer Pause geht es vom Gipfel in leichter Kletterei bis in die grasige Scharte zwischen Großem und Kleinen Rosskaiser. Wir entschließen uns hier, dem Grat nicht weiter zu folgen und steigen über den Schutt und die steilen Wiesen bis zur mittlerweile bewirtschafteten Hochalm ab.

Kilometer um Kilometer zum Ausgangspunkt

An der Kleinmoosenalm entscheiden wir uns nicht dem Adlerweg in Richtung Heubergsattel zu folgen, sondern dem Steig zur Gwirchtalm. Noch bevor sich der Steig in den vor der immer noch gleißenden Sonne geschützten Wald verabschiedet, schlängelt sich kurz vor uns eine Kreuzotter durch die Almwiese.

Nur langsam verlieren wir nun an Höhe, passieren die Alm, wo es leider keine Einkehrmöglichkeit gibt und folgen den Schildern in Richtung Walchsee. Es zieht sich und wir fressen nochmal etliche Kilometer, aber bald erreichen wir die ersten Häuser von Durchholzen und nach knapp 9,5 Stunden (inkl. Pausen) sind wir zurück am Startpunkt, wo wir uns kurz in die fürchterlich kalten Fluten des Bergbachs stürzen.

Fazit

Was für eine geniale, aber doch extrem fordernde Tour! Die Kletterei in dem extrem ausgesetzten Gelände macht wahnsinnig Spaß. Unterschätzt werden darf die schwierige Alpintour allerdings nicht. Sie ist vor allem mental fordernd, technisch anspruchsvoll und sehr lang – für Anfänger und Unerfahrene keineswegs geeignet

15 Kommentare

  1. Servus, liest sich sehr geil! Warum Du aber in den Tourdaten nicht darauf hinweist, dass die Kletterschwierigkeiten bis II gehen, versteh ich nicht.
    Berg heil, Klaus

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