Bergsteigen deluxe: Die Watzmann Überschreitung

37

Die Watzmann Überschreitung gilt als eine der schönsten und zugleich anspruchsvollsten Überschreitungen in den Ostalpen.  In der Regel wird die Tour in zwei Etappen aufgeteilt. Anfang Juli 2014 haben wir sie uns vorgenommen. 

Die Watzmann Überschreitung © Gipfelfieber.com
Die Watzmann Überschreitung © Gipfelfieber.com

Endlich! Lange stand er auf unserer Liste. Eigentlich wollten wir ihn letztes Jahr schon abhaken. Aber der frühe Wintereinbruch Anfang September hat uns einen Strich durch die Rechnung gemacht. Wir hätten ihn wohl auch schon eher gehen können, hatten aber gehörig Respekt und wollten daher lieber fit und trainiert genug sein. War er deswegen im Nachhinein gar keine so große Herausforderung für uns?

Vorab: Unterschätzen darf man den Watzmann auf keinen Fall. Dafür passieren jedes Jahr zu viele Unfälle, die oft auch tödlich enden. Zwar geschehen bei der Watzmann Überschreitung bei weitem nicht so viele Unglücksfälle wie bei der Durchsteigung der Ostwand, aber trotzdem schafft es auch der Grat und vor allem sein langer Abstieg regelmäßig wegen Unglücken in die Presse.

Daher gilt: Ohne gutes Wetter sollte man die Watzmann Überschreitung nicht angehen. Dazu gehört ein hohes Maß an körperlicher Fitness. Dass man schwindelfrei und absolut trittsicher sein muss, auch nach langen Stunden der Gratüberschreitung, da auch im Abstieg noch etliche Stellen warten, die abgeklettert werden müssen, ist hoffentlich selbstredend. Der DAV hat eine sehr informative und umfangreiche Infobroschüre herausgegeben, bei der man die eigenen Risikofaktoren quasi abhaken kann. Dann sollte die Watzmann Überschreitung auch zweifellos machbar sein.

Update Juli 2017: Entfernung von Drahtseil-Sicherungen

Um die Unfallzahlen am Watzmann zu verringern und Bergsteiger von der Watzmann Überschreitung abzuhalten, die ihr eigentlich nicht gewachsen sind, wurden zwischen dem Hocheck und der Mittelspitze etwa 60 Meter Drahtseil entfernt. Die Tour ansich soll so aber nicht schwieriger werden und bewegt sich mit ihren Schwierigkeiten weiter im anspruchsvollen Bereich. Dies soll auch dem immer noch verbreiteten Irrglauben, die Watzmann Überschreitung sei ein durchgängig gesicherter Klettersteig, entgegen treten.

Die Sage vom König Watzmann

König Watzmann, Watzmannfrau und die Watzmannkinder © Gipfelfieber.com
Watzmann © Gipfelfieber.com

Vor langer Zeit lebte der grausame König Watzmann dort, wo heute das schöne Berchtesgadener Land ist. Sein Volk fürchtete nicht nur ihn, sondern auch seine garstige Frau und seine boshaften Kinder. Er war bekannt dafür, ohne Rücksicht in den Wäldern zu jagen und den Bauern ihre Aussaaten und Ernten zu zerstören. Eines Tages kam er auf einem seiner Jagdausflüge zu einer Hütte, wo die Hirtin mitsamt ihrem Kind von den rasenden Hunden des Königs totgebissen wurden. Im Zorn und in der Trauer über seinen Verlust erschlug der Hirte den liebsten Hund des Königs. Wutentbrannt hetzte König Watzmann Hunde und Gefolge auf den Hirten, der mit einem letzten Ausruf einen Fluch aussprach, wofür der König nichts als Gelächter übrig hatte. Kurz darauf donnerte und grollte es und des Königs eigene Hunde stürzten sich auf sein Herrchen und dessen Familie. Die Toten wuchsen anschließend zu den markanten Felsgebilden, die noch heute hoch über Berchtesgaden und dem Königssee ruhen.

1. Etappe: Aufstieg zum Watzmannhaus

In der Regel wird die Watzmann Überschreitung in der Form gemacht wie wir sie getan haben: Start ist an der Wimbachbrücke, von wo man, mal steil, mal weniger steil, vorbei an Almen und kleinen Hütten bis zum Watzmannhaus aufsteigt. Dafür sollte man grob drei Stunden veranschlagen, wobei wir etwa 2,5 Stunden gebraucht haben. (In der Infobroschüre vom DAV finden sich zahlreiche weitere Aufstiegsmöglichkeiten.)

Im Watzmannhaus sollte man unbedingt vorher einen Platz reservieren. Für ein Zimmer muss man schon lange vorher Interesse anmelden. Ein Lagerplatz sollte ein paar Tage vorher aber noch drin sein. Für die ganz Mutigen bleibt bei voller Auslastung noch der Platz vor der Hütte oder im Trockenraum der Schuhe. Warum sich das jemand freiwillig antut, kann ich aber nicht sagen… (Wir wären am Morgen fast über ihn gestolpert. Ob er immer noch dort liegt?)

Beim Studium der Karte wäre es auch denkbar am Abend noch bis zum Hocheck aufzusteigen und dort im Hocheck-Biwak zu übernachten. Davon ist allerdings abzuraten. Zum einen ist das Biwak dafür da, um Leuten in einer Notsituation einen Unterschlupf zu gewähren. Zum anderen gibt es auch schlicht keine Betten. Es bliebe also nur der karge Holzboden. Da ist selbst ein Lagerplatz angenehmer.

Auch nicht ganz klar: Das Biwak steht im Nationalpark Berchtesgaden, wo das Nächtigen grundsätzlich nicht gestattet ist. In zahlreichen Foren gibt es Schauergeschichten darüber, dass Nationalpark-Ranger deswegen Strafen ausgesprochen haben.

Der zeitliche Vorteil, den eine Übernachtung am Gipfel bringt, hält sich aber sowieso in Grenzen. Und wenn man ganz früh vom Watzmannhaus startet, besteht der sowieso nicht.

2. Etappe: Die (eigentliche) Watzmann Überschreitung

Das Watzmannhaus im Morgengrauen © Gipfelfieber.com
Das Watzmannhaus im Morgengrauen © Gipfelfieber.com

Wir wollen noch vor Sonnenaufgang starten, um diesen auf dem Weg zum Hocheck mitzuerleben. Daher heißt es früh ins Bett gehen, versuchen im vollen Matratzenlager die eine oder andere Stunde Schlaf zu erwischen, um halbwegs frisch die lange Tour am nächsten Tag angehen zu können. Am Ende stehen knappe drei Stunden Schlaf zu Buche. Immerhin. Nach dem schnellen Zusammenpacken und zwei Müsliriegeln geht es los.

Wir sind tatsächlich die ersten am Berg, wobei knapp hinter uns gleich die nächsten Grüppchen folgen. Später werden es viel mehr und so verwundert es nicht, dass der Watzmann bei gutem Wetter förmlich überlaufen ist.

In Serpentinen geht es nun durch Geröll hinauf in Richtung Hocheck. Auf halbem Weg geht die Sonne auf und in der besten Morgensonne sehen wir knapp 50 Meter vor uns einen noch recht jungen Steinbock, der stolz scheinbar nur für uns posiert. WAS FÜR EIN MOMENT!!! Er begleitet uns eine ganze Weile und ist immer etwa 50 Meter, mal mehr, mal weniger vor uns. Es kommt ein kurzes drahtseil-versichertes Stück, wobei das dort meines Erachtens nicht unbedingt nötig ist. Unschwierig geht es weiter bis auf den ersten Gipfel der Watzmann Überschreitung, das Hocheck (2651 m) mit seinen zwei Gipfelkreuzen (1,5 h ab dem Watzmannhaus).

Vom Hocheck zur Mittelspitze

Hier heißt es Anlegen des Klettersteigsets und die Energiereserven nochmal auffüllen. Es folgen die ersten Meter auf dem Grat, die hin und wieder mit einem Drahtseil gesichert sind. Wir klinken uns nur selten ein, da sich die Schwierigkeiten hier höchstens mal bei B bewegen. Überhaupt: Wer bergfest und erfahren ist, braucht das Klettersteigset nicht unbedingt. Zumal die Gratüberschreitung sowieso nur an wenigen Stellen gesichert ist. Ein Helm gehört aber definitiv ins Gepäck.

Wir kommen gut voran und die Schwierigkeiten halten sich hier in Grenzen. Ab und an geht es auf einer Seite (oder beiden) weit hinunter. Der Steig ist aber bei trockenen Verhältnissen sehr gut gehbar. So erreichen wir in weiteren etwa 40 Minuten den höchsten Punkt der Watzmann Überschreitung, die Mittelspitze (2.713 m).

Von der Mittel- zur Südspitze

Nun wird der Gratverlauf weit anspruchsvoller. Es geht erst ein gutes Stück über extrem ausgesetztes Gelände bergab. Links warten spektakuläre Tiefblicke in die über 1000 Meter abfallende berüchtigte Watzmann-Ostwand, deren Durchstieg nicht weniger bekannt als die Watzmann Überschreitung ist. Mit gutem Auge lässt sich weit unterhalb der Südspitze das orange-leuchtende, winzige Ostwandbiwak ausmachen. Immer wieder kommen lange ungesicherte Passagen. Die wohl heikelsten Abschnitte sind zumindest teilweise versichert. Stellenweise ist der Grat extrem schmal. Aber es gibt immer ausreichend Griffe und Tritte und wir fühlen uns in keiner Sekunde auch nur annähernd unwohl. So geht es etwa anderthalb Stunden ständig auf und ab und nach etwas weniger als vier Stunden seit dem Aufbruch vom Watzmannhaus erreichen wir die Südspitze (auch Schönfeldspitze, 2.712 m, aber nicht zu verwechseln mit der Schönfeldspitze im Steinernen Meer).

Die Aussicht ist überwältigend. Das Göllmassiv, der Hochkönig, Großglockner und Großvenediger, der Hochkalter im Westen. Alle scheinen sie uns zu Füßen zu liegen, auch wenn sie teilweise natürlich noch beträchtlich höher als der Watzmann sind. Leider sind wir etwas zu früh dran und die Sonne hat es noch nicht geschafft, St. Bartholmä am Königssee in das Morgenlicht zu tauchen. Hier ist Zeit für eine ausgiebige Pause, um die Speicher wieder aufzufrischen. Denn die Anstrengungen sind noch nicht vorbei.

Abstieg ins Wimbachgries

Der Abstieg von der Südspitze ins Wimbachgries ist nämlich in erster Linie lang. Sehr lang. 1400 Höhenmeter gilt es vom Gipfel zunächst bis zur Wimbachgrieshütte zu überwinden. Anfangs geht es über viel lockeres Geröll und Schutt durch recht steiles Felsgelände hinab. An dessen Ende folgt ein hartes Schneefeld, welches wir lieber an der Seite umklettern. Es folgt ein Stück Geröllfeld, welches wir ein Stück in hohem Tempo herunterrutschen und -springen. Das geht allerdings nur, wenn unterhalb niemand ist, da man ständig loses Geröll lostritt. Wieder hat sich der frühe Start bezahlt gemacht.

Es wartet nun eine weitere Steilstufe, die es in sich hat. Hier ist das Gelände oft sehr ausgesetzt und man muss ziemlich oft zupacken. An dessen Ende folgt wieder ein Geröllfeld, das Wimbachgries aber immer noch eine Steilstufe entfernt. Die kam mir als die mit Abstand längste vor. Man denkt, solange kann es doch jetzt nicht mehr dauern und trotzdem kommt man dem (noch ersehnten!) Wimbachgries nur wenig näher.

Kurz bevor wir das erreichen, hören wir es links plätschern. Und tatsächlich wartet hier das erste Mal seit dem Watzmannhaus wieder frisches Bergwasser. Hier lassen sich die Reserven nochmal auffüllen. Der Weg quert nun ein Stück nach links, um dann durch Latschenkiefern, teils durch eine massive Stahlkette versichert, weiter hinab zu führen. Das Wimbachgries ist bald erreicht und damit die Watzmann Überschreitung auch geschafft.

Nun geht es in lockeren 30 Minuten weiter bis zur Wimbachgrieshütte, wo ein köstliches Radler darauf wartet, die Kehle hinunter zu rinnen. Wenn man die Tour etwas entzerren möchte, kann man hier auch übernachten. Wir haben aber gerade erst Mittag und starten so nach einer Stärkung zum letzten Abschnitt.

Endlos durch das Wimbachgries

Schier endlos geht es nun immer nur wenig an Höhe verlierend in Richtung Ausgangspunkt. Knapp neun Kilometer gilt es nun noch zurückzulegen. Wir gönnen uns keine weiteren Pausen und bringen die in knapp anderthalb Stunden auch noch hinter uns, am Abend wartet schließlich das WM-Viertelfinale mit Deutschland gegen Frankreich. Angekommen an der Wimbachbrücke entledigen wir uns der durchgeschwitzten Klamotten und gönnen uns eine Abkühlung im saukalten Wimbach. Gut tut es allemal.

Das Video

Fazit

Die Watzmann Überschreitung ist schlichtweg grandios. Sie hat uns nicht ganz so sehr gefordert wie wir zuvor vielleicht befürchtet haben, vor allem der Grat hat uns vor keine Schwierigkeiten gestellt. Anspruchsvoll ist sie in jedem Fall und daher wirklich nur trainierten und bergerprobten Bergsteigern ans Herz zu legen. Was dann aber bleibt, sind grandiose Eindrücke. Das sind nicht nur die Tief- und Ausblicke, die man während der Überschreitung hat. Es ist auch der Stolz auf die vollbrachte Leistung. Und die Dankbarkeit des frühen Starts, der uns quasi eine menschenleere Überschreitung geliefert hat. Und das in der Hochsaison.

37 Kommentare

  1. Endlich mal ein Video der Watzmann-Überschreitung, bei dem man sich – dank ruhiger Kamera & langer Sequenzen – wirklich was vorstellen kann! Danke dafür.

    • Dabei ist gaaaaaaaaaanz viel rausgeschnitten. Und Kamera am Brustgurt hat Vorteile gegenüber der auf dem Kopf. Das wackelt viel viel weniger!

  2. […] Der Schleierwasserfall ist das Highlight einer an Highlights nicht armen Wanderung über den Gebirgszug des Niederkaisers. Am Fuß des Wilden Kaisers gelegen, wird der von Bergsteigern oft links liegen gelassen. Dabei ist er so etwas wie das Kaisergebirge im Kleinformat. Schroffe Felsen, steil hinabfallende Wände, Kletterpassagen mit Herzklopfcharakter und Ausblicke von Kitzbühel bis zum Watzmann. […]

Kommentieren Sie den Artikel

Bitte geben Sie Ihren Kommentar ein!
Bitte geben Sie hier Ihren Namen ein

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.